Maschinenbau : Auftragskünstler

Trumpf Armin Rau
© Helene Waldner

Für Wolfgang Rathner ist es nur ein weiterer Punkt auf einer lange verfolgten Gerade. Wenngleich ein ziemlich spektakulärer: Als Rathner, Geschäftsführer des Maschinenbauers Fill, Ende Februar erstmals auf Mexikos größter Automobilbaumesse die Gurtener Spezialitäten wie etwa Maschinen zum Gießen von Zylinderköpfen zur Schau stellte, fand sich am Stand der Oberösterreicher mit José Calzada Rovirose nicht nur die lokale Prominenz ein. Neben dem Gouverneur des Bundesstaats Querétaro, dem Rathner geduldig die Vorzüge der Fill-Technologie verständlich zu machen versuchte, tummelte sich zu Rathners Freude am Stand der Oberösterreicher auch potentielle Kundschaft. Und zwar nicht zu knapp.

„Der Bedarf an Hightech-Maschinen ist groß“, sagt Rathner. Mexiko, in dem sich etwa der Fill-Kunde Nemak, größter Hersteller von Aluminiumzylinderköpfen, schon 1988 ein Standbein geschaffen hat, „gewinnt als Produzent und Exporteur von Automobilen an Bedeutung“, so Rathner. Die Jahresproduktion wird von derzeit drei auf vier Millionen im Jahr 2020 anschwellen. Für den Sondermaschinenbauer, seit ein paar Monaten mit einer 100-Prozent-Tochter im Land vertreten, ein Markt mit schönem Umsatzpotenzial. Verglichen zu Europa, „wo Stagnation zu sehen ist“, heißt es bei den Oberösterreichern.

Wechselbad

Stimmungsaufheller wie vor Kraft strotzende Auslandsmärkte, nur behäbig in die Gänge kommende Heimmärkte als kalte Dusche: Maschinenbaumanager, die sich in den letzten Jahren ein Standbein in Asien, Südamerika oder den USA aufbauten, schlafen derzeit eindeutig ruhiger. „Es zeigt sich immer klarer, dass die Auslandsnachfrage den Bestellungen aus dem Inland davonläuft“, kommentiert Thilo Brodtmann, Chef des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, gewohnt trocken. So läuft es beim Maschinenbauer Fill im China-Geschäft etwa derart gut, dass Geschäftsführer Andreas Fill demnächst die 30-Prozent-Umsatzmarke überschritten sieht. In Österreich habe der Vertrieb „alle Hände voll zu tun“, auch das Gesamtvolumen der Angebote, die draußen seien, sei „sehr hoch“, bekräftigt Fill. Trotzdem: Mehr als „vorsichtig optimistisch“ für das nationale Geschäft wolle er nicht sein. Was ihn nicht von anderen Branchenexperten groß unterscheiden wird. Von 2011 bis 2013 war zu Jahresbeginn immer reichlich Optimismus vorhanden. Auch heuer macht sich dieser wieder breit, „obwohl er in den letzten Jahren regelmäßig enttäuscht wurde“, erzählt Martin Baminger, Konjunkturexperte beim Fachverband Maschinen und Metallwaren FMMI. Jeden Herbst gab es nach starken Vormonaten massive Rückgänge „gefolgt von einer mehr oder weniger ausgeprägten Rezession“, beobachtet er. „Makroökonomische Zutaten“ für Wachstum seien derzeit „einige vorhanden“, sagt Baminger. Der gefallene Euro, niedrige Energiepreise und hohe Cashbestände etwa. Allein bei den harten Fakten, etwa der Auftragslage, sei davon noch wenig zu sehen.

Anspannung am Heimmarkt

Für Anton Köller, Geschäftsführer der precisa CNC-Werkzeugmaschinen und spezialisiert auf den Handel mit Maschinen des japanischen Herstellers Okuma, ist der von Baminger beschriebene Effekt nachvollziehbar. Der Jahresauftakt 2014 fühlte sich gut an, besser als das nicht eben berauschende Jahr 2013, erzählt er. Doch vom groß angekündigten Aufschwung war nicht viel zu sehen. Für heuer hat Köller den ersten Monaten nach zu urteilen wieder ein etwas besseres Gefühl – von hemmungsloser Kaufbereitschaft zu reden wäre derzeit aber übertrieben. Wie schon im Vorjahr. An einigen Projekten, die im Vorjahr abgeschlossen werden konnten, war Köller bis zu zwei Jahre dran – „erst dann gab es beim Kunden grünes Licht zum Kauf“, erzählt er. Sein Fazit: Einige im Bereich Lohnfertigung würden mit bestehenden Kapazitäten auch weiterhin ganz gut auskommen – deutlich mehr Leben als im Zerspanungssegment gebe es „beim Erodieren und Schleifen“, sagt Köller. „Noch kommen die Auftragsbestände nicht richtig vom Fleck, sie lagen im Februar auf durchschnittlichem Niveau“, schildert FMMI-Experte Martin Baminger. Allerdings: Gehe man nach der Stimmungslage der Unternehmen, müssten die Auftragsbestände „in den nächsten Monaten ansteigen“, sagt er. „Wir werden im Geschäftsjahr 2014/15 leicht wachsen“, schildert Trumpf-Österreich-Chef Armin Rau. Auch fürs zweite Halbjahr geht er von einem Wachstum zwischen drei und fünf Prozent aus. Die Inlandsnachfrage sei bereits „angestiegen“. USA, Deutschland und Tschechien seien in den Exportmärkten die Treiber. „Und Spanien ist wieder erwacht“, sagt Rau.

Russland-Geschäft erodiert

Tröstet das Anziehen des asiatischen Raums mancherorts über die stagnierende Inlandsnachfrage hinweg, geben andere Auslandsschauplätze neuen Grund zur Sorge. Schon im Vorjahr blickte Georg Knill, Geschäftsführer des Weizer Batterie-, Kabelfertigungs- und Glasfaseroptikmaschinenherstellers Rosendahl, mit gemischten Gefühlen auf den wichtigen Markt Russland. Rückläufiges Wachstum, dazu immer neue Hiobsbotschaften, raubten Knill aber nicht seinen Optimismus. „Der Markt springt sicher bald wieder an“, sagte er damals. Im zerspanenden Bereich tat er das nicht. 2008 bis 2013 stiegen die russischen Maschinenimporte stark an. Im dritten Quartal sank die Zahl der Werkzeugmaschinenexporte um mehr als ein Drittel. Auch die Deutschen stöhnen. Russland sei für den Maschinen- und Anlagenbau ein Markt, dessen Risiken zurzeit stündlich wachsen“, sagte VDMA-Außenwirtschaftsprofi Ulrich Ackermann zum Jahreswechsel. „Aufgrund der Dual-Use-Bestimmungen sind Lieferungen nach Russland fast unmöglich geworden“, bestätigt CECIMO-Experte Frank Brinken. Viele russische Kunden hätten ihre Wurzeln im militärischen Bereich, sie seien als Kunden nunmehr „praktisch ausgeschlossen“. Die Asiaten würden hemmungslos die Schwäche der Europäer ausnützen. „Japanische, taiwanesische und koreanische Firmen kümmern sich derzeit sehr intensiv darum, uns als Lieferanten der russischen Industrie abzulösen“, sagt Brinken. Man serviere ihnen 40 Jahre gewachsene gute Beziehungen auf dem Silbertablett.

US-Märkte ziehen an

Eine gemeinsame Stimme finden Maschinenbauer quer durch Europa derzeit zu TTIP. Auch Österreichs Maschinenbauer fürchten, am gigantischen Investitionsstau in den USA nicht ausreichend mitantizipieren zu können, sollte das Freihandelsabkommen mit den USA platzen. Ein durchschnittliches Produktionsmittel in den Staaten ist rund 20 Jahre alt, eine Besichtigung eines Produktionsbetriebes in der neuen Welt sei „wie eine Zeitreise“, kommentiert CECIMO-Experte Frank Brinken. Er rechnet felsenfest damit, dass das Handelsabkommen nächstes Jahr in Kraft tritt. Hersteller wie Trumpf oder Engel wünschen es sich. So etwa Engel-Chef Peter Neumann, der in der Harmonisierung technischer Standards auch für die Kunststoff- und Gummimaschinenindustrie Vorteile sieht. Ohne TTIP müssten wir mittelfristig darüber nachdenken, „noch stärker in den USA zu produzieren, um unsere Wettbewerbsfähigkeit in diesem Markt zu erhalten“, sieht auch Trumpf-Österreich-Geschäftsführer Armin Rau keinen argumentativen Spielraum. Die Gefahr, sich so neuen Ärger durch verstärkte US-Importe einzuhandeln, sieht zumindest Frank Brinken nicht. Zwar könnten Billigmaschinenanbieter wie der Kalifornier Haas – in Europa nicht die kleinste Nummer – Maschinen nochmal gewinnbringender absetzen. Doch solche Anbieter seien an einer Hand abzuzählen. Einstweilen gelte es, den Asiaten nicht das Feld zu überlassen. „Der Währungsvorteil der Japaner ist augenscheinlich“, sagt Brinken. Die Japaner würden ihn geradezu aggressiv einsetzen. Nicht um ihre dünnen Margen zu korrigieren, sondern um Marktanteile vor allem in den USA dazuzugewinnen. Aber auch in Europa.