Innovationsprojekt : Biogas-basierte Fahrzeuge für Brasilien

Alles begann mit der Vision von Spirit Design-Geschäftsführern Daniel Huber und Georg Wagner, Kleinbauern in Schwellen- und Entwicklungsländern einen Kleintraktor zur Produktivitätssteigerung und Eigenversorgung zur Seite zu stellen. Daraus entwickelte sich ein umfassendes Innovationsprojekt mit dem Biogas-basierten Arbeitsfahrzeug CH4PA als nur einem von vielen modularen Bausteinen: Durchdachte Infrastruktur mit innovativen Produktentwicklungen und maßgeschneiderten Services in Beratung und Umsetzung sind im Rahmen des Atmove Biogas Innovationszentrums in der brasilianischen Pilotregion Paraná geplant.

Das Modell der Biogas-basierten Mobilität in ländlichen Gebieten Brasiliens soll gemeinsam mit Projektpartner CIBiogás – finanziert durch das weltweit größte Wasserkraftwerk ITAIPU – vor Ort etabliert und auf weitere Schwellen- und Entwicklungsländer ausgedehnt werden. Als erster Schritt und zentrales Symbol der ländlichen Biomethan-Mobilität wurde der Prototyp des Arbeits- und Transportfahrzeugs CH4PA im Rahmen des Vienna Energy Forums 2015 in der Hofburg gemeinsam mit hochrangigen brasilianischen Vertretern präsentiert. "Brasilien ist in Bezug auf erneuerbare Energie international führend. Wir freuen uns, dass CIBiogás in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Unternehmen Spirit Design die Verbreitung der erneuerbaren Energien noch weiter vorantreibt", so der brasilianische Botschafter Evandro Didonet.

CH4PA als "Schweizer Messer"

Produktivitätssteigerungen durch Maschineneinsatz waren bisher für Kleinbauern in Entwicklungs- und Schwellenländern nicht leistbar, da 50 Prozent ihrer Kosten auf Treibstoff entfallen. Das von Spirit Design entwickelte, günstige Arbeits- und Transportfahrzeug CH4PA schafft Abhilfe: Angetrieben wird es durch von den Bauern selbst produziertes Biogas, das zu Treibstoff aufbereitet wird – in lokalen Anlagen dörflicher Gemeinschaften und aus biogenen Reststoffen. Georg Wagner, Geschäftsführer von Spirit Design, fasst zusammen: "Mit CH4PA gelingt es uns nicht nur, die Betriebskosten im Vergleich zu Diesel um bis zu 50 Prozent zu reduzieren, sondern auch landwirtschaftliche Abfälle zu recyceln und neue Verdienstmöglichkeiten und somit Lebensgrundlagen für die Bauern zu schaffen. Auch die CO2-Emissionen sinken um bis zu 70 Prozent."

Spirit Design entwickelte den Prototypen im Rahmen des von der Wirtschaftsagentur Wien geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojektes. Er wurde Ende 2014 fertig gestellt. Basis für seine Entwicklung waren Expertengespräche mit potenziellen Industriepartnern und eine inhaltliche Machbarkeitsstudie in der brasilianischen Pilotregion im Rahmen der Förderung durch das Austria Wirtschaftsservice. Gebaut wurde der Prototyp in enger Kooperation mit der Firma Tobias in St. Andrä-Wördern. Mehr als 900.000 Euro wurden bisher insgesamt in das Projekt investiert. Ziel ist die Serienproduktion und die Einbettung des Fahrzeugs in die biogas-basierte Systeminnovation.

Flexibler Kamerad der Bauern

Modularität und Reduktion auf das Wesentliche sind die Leitgedanken des Erscheinungsbildes von CH4PA. Dem landwirtschaftlichen Einsatz kommt er durch seine hohe Ladekapazität entgegen, verschiedene Fahrzeugaufbauten werden den spezifischen Bedürfnissen seiner Nutzer gerecht. Sein Name (gesprochen "Schapa") leitet sich aus seinem Treibstoff Methan (CH4) ab. Als bester Freund des Kleinbauern (chapa = portugiesische Umgangssprache für Kumpel) erhöht das umweltfreundliche und leistbare Arbeitsgerät seine Produktivität.

Rund um das Arbeitsfahrzeug CH4PA entwickelte Spirit Design gemeinsam mit dem Projektpartner CIBiogás auch ein Innovationsprojekt namens Atmove. Schließlich bedarf es auch einer Infrastruktur als Grundlage für die Biomethan-Mobilität. Diese soll aus konkreten Innovationen (Gasspeicher, Gasreinigung, Gastransport und Gastankstellen) und entsprechenden Services sowie Beratung bestehen. Beide Projektpartner bauen daher derzeit zusammen in der brasilianischen Pilotregion Paraná das Atmove Biogas Innovationszentrum mit österreichisch-brasilianischer Wissenschaftskooperation auf. Dieses bietet als One-Stop-Shop das entsprechende Netzwerk und die Plattform zur Entwicklung von Produkten auf der Basis von Frugal Design. Der Think-Tank wird vor Ort Biogas-basierte Mobilitätslösungen entwickeln und in der Region verankern.

Im Rahmen der Infrastruktur von Atmove produzieren Bauern, landwirtschaftliche Industriebetriebe und Gemeinden lokal und aus den eigenen Abfällen Biogas und als Nebenprodukt auch Dünger. Das gewonnene Biogas wird von Atmove aufgekauft, zu Biomethan aufgereinigt und als Treibstoff für den Eigenbedarf an die Bauern zurückgegeben – und zwar unter dem Marktpreis für Diesel oder Erdgas. Dadurch wird die landwirtschaftliche Produktion angekurbelt und deutlich nachhaltiger gemacht.

Brasilianische Pilotregion

Mit seinem starken Landwirtschaftssektor eignet sich Brasilien besonders gut für das Pilotprojekt. 85 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe werden in Brasilien durch die insgesamt vier Millionen Familienfarmen repräsentiert. Güter- und Personentransport stellen eine kostenintensive Herausforderung für sie dar. Das weltweit fünftgrößte und größte Land Südamerikas verfügt im Landesinneren über kein ausgebautes Schienennetz. Daher wird ein Drittel des brasilianischen Energiebedarfs für den Transportsektor benötigt. Ein Faktum, das die Konkurrenzfähigkeit landwirtschaftlicher Produkte negativ beeinflusst.

Rodrigo Regis, Direktor des Projektpartners CIBiogás, erklärt: "In Bezug auf Erdgasmobilität (CNG) ist Brasilien mit den drittmeisten Fahrzeugen und Tankstellen weltweit bereits überaus fortschrittlich. Erdgas wird aber in den ländlichen Gebieten nicht in der Mobilität eingesetzt, weil Infrastruktur und entsprechende Pipelines nur in Küstennähe existieren. Was Biogas-basierte Mobilität betrifft, ist Brasilien noch Neuland. CIBiogás beschäftigt sich schon seit 2008 mit Machbarkeitsstudien, Labortests und Wissensvermittlung im Biogasumfeld. Und die Biomethan-Mobilität treiben wir jetzt gemeinsam mit Spirit Design weiter voran."