Streik : Deutsche Industrie leidet unter Bahnstreik
"Bei durchgängigen Streiks sind in der Industrie empfindliche Produktionsausfälle zu erwarten", sagte Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung im Industrieverband BDI, am Dienstag. "Streikbedingte Schäden können von einstelligen Millionenbeträgen schnell auf bis zu 100 Millionen Euro Schaden pro Tag wachsen." Besonders hart betroffen seien Branchen, die mit ihrer Logistik weitgehend auf die Deutsche Bahn angewiesen seien und ihre Transporte nicht auf andere Verkehrsträger verlagern könnten.
"Dazu gehören beispielsweise neben Chemie-Gefahrgut-Transporten auch die Rohstoffanlieferung in der Stahlindustrie oder die Transporte der Automobilwirtschaft in die Exporthäfen." Die GDL treffe nicht nur die Industrie und ihre Unternehmen, "sondern nimmt das ganze Land in Beschlag", fügte Schweer hinzu. Die Gewerkschaft handle verantwortungslos und habe "jedes Augenmaß verloren".
Stahlverband fürchtet millionenhohe Einbußen
„200.000 Tonnen Rohstoffe und Stahl werden täglich über die Bahn transportiert“, so Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, in Düsseldorf. Die Stahlindustrie in Deutschland ist sowohl bei der Sicherstellung der Versorgung mit Rohstoffen wie Erz, Kohle und Schrott als auch beim Versand von Fertigprodukten, wie z.B. Coils, Bleche, Draht-Gebinde oder Brammen, in hohem Maße auf den Schienenverkehr angewiesen. Über 50 Prozent der Transportmengen werden über die Schiene befördert. DB Schenker Rail sei für die Stahlunternehmen der mit Abstand wichtigste Transportdienstleister auf der Schiene. Andererseits sei die Stahlindustrie der größte Güterverkehrskunde der Deutschen Bahn.
„Ein 3-Tage-Streik im Schienengüterverkehr stellt die Stahlunternehmen vor riesige Probleme. Die Deutsche Bahn befördert für die Stahlindustrie in Deutschland ca. 65 Millionen Tonnen im Jahr“, sagte Hans-Joachim Welsch, Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Ein kurzfristiges Ausweichen auf andere Verkehrsträger sei nur sehr eingeschränkt möglich. „Daher gibt der Streik auf der Schiene Anlass zu größter Sorge. Es entstehen erheblicher wirtschaftlicher Schaden und Zusatzkosten in Millionenhöhe“, so Hans-Joachim Welsch in Dillingen.
Die GDL hat angekündigt, von Dienstagnachmittag an den Güter- und ab Mittwoch den Personenverkehr der Bahn zu bestreiken. Insgesamt soll der Ausstand 66 Stunden dauern. Nach 16 Tarifrunden fehlten immer noch Ergebnisse in wichtigen Fragen, erklärte die GDL. Sie machte erneut die Bahn verantwortlich. Die GDL hat in dem Konflikt bisher sechsmal gestreikt.
Fernbus-Anbieter profitieren
Die deutschen Fernbus-Anbieter profitieren vom angekündigten Streik bei der Deutschen Bahn. "Der Umsatz der Branche könnte wegen des Streiks um mehrere Millionen Euro steigen", sagte der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo), Matthias Schröter, am Dienstag.
"Sobald die Ankündigungen für den Ausstand kommen, spüren die Busunternehmen sofort eine sprunghafte Nachfrage auf ihren Webseiten." Die Unternehmen hätten seit längerem Erfahrung mit Streiks der deutschen Lokführergewerkschaft GDL und stellten vor allem auf den Hauptstrecken nach Berlin, Frankfurt, München oder ins Ruhrgebiet umgehend zusätzliche Kapazitäten bereit.
Die Busbranche kann zwar ohne Genehmigung keine zusätzliche Linie einrichten. Stattdessen setzen die Firmen laut bdo-Sprecher aber Doppeldecker oder mehrere Busse auf einmal ein. "Wir können die Kapazität auf einer Linie erhöhen." Erfahrungsgemäß steige die Nachfrage bei Streiks um das Sechsfache, der Umsatz letztlich um das Zwei- bis Dreifache. (apa/Reuters)