CO2-Handel : EU reformiert den CO2-Handel

Für viele Forscher ist es - mindestens - fünf vor zwölf: Der Menschheit könnte ein Zeitalter der Klimakatastrophen drohen, wenn sich die Erderwärmung nicht eindämmen lässt. Im Dezember trifft sich die internationale Gemeinschaft in Paris, dort soll nach etlichen gescheiterten Anläufen der Durchbruch für verpflichtende Ziele zur Senkung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) gelingen. Nun hat das EU-Parlament neuen Regeln für ein Instrument der Klimapolitik zugestimmt - dem Emissionshandel.

Wie funktioniert Emissionshandel?

Unter Umweltzerstörung leiden alle, aber die Verantwortlichen zahlen in der Regel nicht dafür. Die Grundidee des Emissionshandels ist es, den Urhebern von Umweltverschmutzung - zum Beispiel Unternehmen - Kosten aufzuerlegen. Bekommen Umweltbelastungen wie CO2-Emissionen einen Preis, so die Erwartung, dann wird auch der Anreiz größer, sie zu verringern. Dazu wurde ein Markt geschaffen, auf dem Unternehmen untereinander mit Verschmutzungsrechten (Zertifikaten) handeln. Ein Zertifikat steht für eine Tonne CO2.

Wo liegt denn nun das Problem?

Der Preis für die CO2-Zertifikate ist niedriger als ursprünglich erwartet. Grund ist unter anderem die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre - die Industrie stieß weniger Treibhausgase aus als zuvor erwartet, damit blieben mehr ungenutzte Rechte auf dem Markt, was wiederum den Preis drückte. Nach EU-Angaben waren es 2013 etwa 2,1 Milliarden Zertifikate zu viel. Gehandelt wird ein Zertifikat aktuell für etwa 7,50 Euro - weniger als erwartet. Damit fehlen Anreize zum Energiesparen oder für Investitionen in klimafreundlichere Technologien.

Welche Kritikpunkte gibt es am bisherigen System?

Mit dabei sind mehr als 11.000 energieintensive Anlagen, also Kraftwerke und Fabriken aus allen 28 EU-Staaten sowie Island, Norwegen und Liechtenstein - das entspricht laut EU-Kommission 45 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Europa. Aus Sicht von Klima-Aktivisten müssen aber nicht nur die beteiligten Unternehmen und Airlines auf innereuropäischen Strecken, sondern weitere energieintensive Branchen einbezogen werden. Außerdem gelten die derzeitigen Bestimmungen etlichen Kritikern als zu kompliziert.

Was schlagen die Reformer vor?

Die EU verknappt das Angebot an CO2-Zertifikaten, darauf haben sich Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments geeinigt. Nun stimmten die Abgeordneten diesem Beschluss im Plenum zu. Demnach soll ab 2019 die Zahl der Verschmutzungsrechte stärker sinken. Etwa 1,5 Milliarden CO2-Rechte sollen dann in eine Art Ablage geschoben werden, wo sie dem Markt auf lange Sicht entzogen wären. Bevor die Neuerung rechtskräftig wird, müssen die EU-Staaten noch auf Ministerebene zustimmen. Diese reine Formalie ist für September vorgesehen. In einem späteren Reformschritt soll ab 2021 die Zahl der verfügbaren Zertifikate jedes Jahr dann noch stärker sinken als bisher. Vorschläge für den längerfristigen Umbau des Systems will die EU-Kommission in den nächsten Tagen machen.

Ist es realistisch, andere Industrien einzubeziehen?

Der Gegenwind ist teils groß. So warnte in Deutschland etwa die Wirtschaftsvereinigung Metalle und in Österreich die Industriellenvereinigung vor Millionenkosten für die Industrie. Einige Autobauer, die sich beim Thema CO2 vor allem an den strikteren EU-Abgasvorschriften orientieren müssen, zeigen sich aber offen. Statt nur auf den Durchschnittsverbrauch von Neuwagen zu schauen, sei eine Einbindung in den Emissionshandel zu prüfen, meinte Opel-Chef Karl-Thomas Neumann schon Ende Februar. Experten der Deutschen Bank hatten zuvor bereits betont: Ein Einschluss des Straßenverkehrs über Verschmutzungsrechte - zum Beispiel bei Raffinerien und im Ölimport - könnte insgesamt effizienter sein als über CO2-Grenzwerte für Autos.

Wie tricksen Betrüger das System aus?

Kriminelle haben die komplexe Struktur des Emissionshandels genutzt, um in die eigenen Taschen zu wirtschaften. Ein häufig angewendeter Trick: Bei Steuerkarussell-Geschäften werden Emissionsrechte aus dem Ausland gekauft und im Inland über Zwischenfirmen weiterverkauft, ohne Umsatzsteuer zu bezahlen - Betrüger ließen sich die Steuer trotzdem vom Finanzamt zurückerstatten. Eine Tätergruppe prellte den deutschen Staat so um rund 850 Millionen Euro. Rund um die Deutsche Bank gab es Ermittlungen. In Hamburg liefen bereits Strafprozesse.

Doch nur mit besserem Emissionshandel lässt sich das Klima nicht retten - aber ein besserer Emissionshandel ist ein Teil einer funktionierenden Klimastrategie. Ziehen nicht hinreichend viele Staaten mit, könnten selbst ehrgeizigere EU-Regeln allerdings nicht allzu viel bringen, wie das Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) in Hamburg betont: "Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), die USA und die EU bekunden zwar verbal ihren Willen, blockieren sich aber oftmals selbst." (apa/dpa)

Die Überführung von 900 Millionen zurückgehaltenen CO2-Zertifikaten sollten ursprünglich 2019 wieder in das CO2-Handelssystem (ETS) eingespeist werden. Mit dem kommenden Beschluss des EU Parlamentes werden sie Ende 2018 in eine Marktstabilitätsreserve überführt und permanent aus dem Handelssystem genommen. „Es ist gut, dass eine substantielle Menge an Zertifikaten nicht mehr in das CO2-Handelssystem eingebracht wird, und direkt in die strategische Reserve wandert“, bemerkt Ivan Pineda, Director of Public Affairs des europäischen Windenergieverbandes EWEA. Stefan Moidl vom österreichischen Windenergieverband ergänzt: „Das kann aber nur der erste Schritt sein, denn allein diese Maßnahme kann den kaputten CO2-Handel in Europa nicht wieder reparieren.“

"Tiefgreifende Reform ist unabdingbar"

Am 15 Juli wird die Kommission voraussichtlich das ETS Reform Paket für die Handelsperiode nach 2020 veröffentlichen. „Der CO2-Handel braucht eine tiefgreifende Reform“, fordert Kristian Ruby, Chief Policy Officer der EWEA und setzt fort: „In einem ersten Schritt müssen alle überzähligen Zertifikate aus dem Markt genommen und die Verteilung von Gratis-Zertifikaten beendet werden. Um den Preis für die Zertifikate zusätzlich anzuheben, müssen Maßnahmen gesetzt werden, dass sich auch jene Mitgliedsstaaten von fossiler Energie abwenden, die sehr stark davon abhängig sind, und sich den erneuerbaren Energien zuwenden können.“ Diese Instrumente sollen bewirken, dass die schmutzigsten Kraftwerke vom Netz gehen. „Vor allem in jenen Staaten, die sehr stark von Kohlekraftwerken anhängig sind“, merkt Ruby an.

Nach der Veröffentlichung des ETS Reform Paketes wird das politische Tauziehen beginnen. "Die österreichische Regierung ist aufgefordert sich pro aktiv für einen strengen CO2-Handel stark zu machen", fordert Moidl und ergänzt abschließend: "Gerade im Lichte der Klimakonferenz in Paris ist es unabdingbar, dass die EU klare Signale setzt um eine führende Rolle in den Verhandlungen einnehmen zu können."