Personalia : Ferdinand Piech beendet den Machtkampf - und tritt zurück

Nicht Martin Winterkorn scheidet aus dem VW-Konzern aus, wie es sich Ferdinand Piech ursprünglich vorgestellte hatte, sondern er selbst verlässt Volkswagen. Auslöser für den Rückzug ist der von ihm selbst angezettelte Machtkampf mit dem VW-Chef, der viele Verbündete hatte. Mit Nachdruck hatte Piech versucht, sein Erbe zu regeln. Aber damit, dass darin kein Platz mehr für Winterkorn sein sollte, isolierte er sich selbst. Außer seinem Bruder schloss sich niemand der Attacke an. Am Samstag erklärte der Aufsichtsratschef mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt.

Gegenüber dem "Spiegel" hatte Piëch Mitte April mit wenigen Sätzen eine Skizze entworfen, wie er sich die Zukunft von Volkswagen vorstellte: "Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen", sagte er. Beide Spitzenpositionen sollten von einem Techniker besetzt werden - die namentlich von ihm nicht genannten Kandidaten seien bereits im Unternehmen. Es seien aber keine Familienmitglieder - auch nicht seine Frau Ursula als künftige Aufsichtsratschefin, wie vielfach spekuliert wurde. Auch sie erklärte am Samstag ihren Rücktritt aus dem Gremium.

Winterkorn hätte es wie Pischetsrieder gehen können

Piech hatte seine Pläne mit der Selbstverständlichkeit des Patriarchen erläutert, dem sich alle unterwerfen. Dass er plötzlich seinen langjährigen Vertrauten Winterkorn nicht mehr zu den Richtigen zählte, sorgte für große Aufregung. Vor allem sein Satz "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn" saß. Damit sei Winterkorn quasi gestürzt, mutmaßten in der Branche viele. Auch Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder hatte Piech mit wenigen, zielsicheren Sätzen 2006 demontiert.

Allerdings wollte sich Winterkorn nicht aus dem Weg räumen lassen, und auch im Konzern hatte Winterkorn Unterstützung. Dagegen wurde die Luft um Piech dünn. Die niedersächsische Landesregierung, die in dem mehrheitlich im Besitz der Familien Piech und Porsche liegenden Konzern als Großaktionär ein entscheidendes Wort mitredet, hatte sich in Person von Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) unmissverständlich auf Winterkorns Seite geschlagen. Auch die Familie Porsche schloss sich nicht dem Angriff auf den Vorstandschef an.

Derweil herrschte Rätselraten darüber, was den am 17. April 1937 in Wien geborenen Österreicher geritten hatte. Ging es trotz der unter Winterkorn deutlich von 6,2 Millionen auf über zehn Millionen Fahrzeuge gesteigerten Verkaufszahlen und dem auf 202 Milliarden Euro in der Winterkorn-Zeit fast verdoppelten Umsatz ums Geschäft? Piechs jüngerer Bruder Hans Michel, der ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt, klagte im "Spiegel" über die anhaltenden Probleme im US-Geschäft, eine zu geringe Rendite der Marke VW und der fehlenden Entscheidung über den Einstieg ins Billigsegment.

Piechs Autorität war in Frage gestellt

Oder ging es doch um eine Machtfrage der Alphatiere - hier der alternde Patriarch, dort der selbstbewusste Konzernchef? In der Vergangenheit hatte Piech stets mit eigenen Erfolgen seine Autorität gesichert. Er war es, der in seiner Zeit als Vorstandschef bis 2002 VW zum Multimarken-Konzern formte. Unter dem Dach von Volkswagen sind Marken wie VW, Audi, Seat, Bugatti, Lamborghini und Porsche vereint, dazu kommen MAN oder Scania.

"Totgesagte leben länger"

Piech weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell es im Autogeschäft auf- und wieder abwärtsgehen kann. Nach Erfolgen bei Audi kam er 1993 in der schwersten Krise von VW als Retter nach Wolfsburg, seit 2002 führt er den Aufsichtsrat. Lange war er selbst wegen seiner Meriten unumstritten. Als vor eineinhalb Jahren über seinen vorzeitigen Abgang aus gesundheitlichen Gründen spekuliert wurde, spottete er: "Totgesagte leben länger". Diesen Satz kann nun Winterkorn für sich verbuchen. (apa/afp)

Fotostrecke: Der VW-Machtkampf in Bildern

Der VW-Konzern mit seinen zwölf Fahrzeugmarken hat zwei Aktienarten. Die Vorzugsaktien werfen mehr Dividende ab, beinhalten dafür aber keine Stimmrechte für die Weichenstellungen auf der Hauptversammlung. Das Stimmrecht liegt bei den Stammaktien, kurz genannt Stämme. 50,73 Prozent dieser Stämme, also knapp die absolute Mehrheit, entfallen auf die Stuttgarter Porsche Automobil Holding SE (PSE). Sie versuchte vor rund sechs Jahren vergeblich, die alleinige Macht beim VW-Konzern zu holen, wofür mindestens 75 Prozent der Stämme nötig gewesen wären.

Als Ergebnis steht nun gut die Hälfte des VW-Konzerns unter dem Dach der PSE. Und bei der wiederum haben die Porsches und Piëchs das alleinige Sagen, denn nach dem Ausstieg des Emirats Katar besitzen sie sämtliche Stämme der Holding. Allerdings entfallen die Anteile nicht zu gleichen Teilen auf die zwei Familienzweige Porsche und Piëch, deren unterschiedliche Namen übrigens daraus resultieren, dass die Porsche-Tochter Louise in den Namen Piëch hineinheiratete.

Porsche hat leichte Mehrheit

Die Porsches haben mit gut 50 Prozent der PSE-Stämme ein leichtes Übergewicht zu den Piëchs. Das liegt daran, dass in den 1980er-Jahren ein Piëch-Spross (Ernst) sein Paket versilberte und es zu gleichen Teilen an die zwei Familienflügel ging, was die Aufteilung verschob.

Jedoch zwingen Verträge den PS-Clan, mit einer Stimme zu sprechen. Die Porsches können die Piëchs also nicht überstimmen - trotz des leichten Übergewichts bei ihren Stammanteilen. Zudem ist geregelt, dass Anteilsverkäufe der Familie angedient werden müssten. Es kann also gegen den Willen des Clans nichts an Externe fallen.

Ferdinand Piëch und seinem Bruder Hans Michel sind nach jüngsten Informationen jeweils 13,16 Prozent der PSE-Stammaktien zuzuordnen. Mit der weiteren Erbfolge fächern sich die Anteile auf. Der Clan der Porsche-Nachfahren zählt inzwischen viele Dutzend Mitglieder. (apa/dpa)