Wirtschaftsbeziehungen : Österreich hat in der Mongolei gute Chancen

Wer hier von einem Ort zum anderen will, hat relativ leichtes Spiel. Man stellt sich an den Straßenrand, lächelt und wartet kurz, bis ein Wagen anhält. „Es gibt viele Privatleute, die stehen bleiben und Leute mitnehmen, zu einem fixen Preis, für weniger als einen Euro pro Kilometer. Man sagt, wo man hin will, der Kilometerzähler des Autos wird auf null gesetzt und dann geht es los.

Zum Schluss zahlt man dann“, erklärt der Salzburger Max Rettenwender. Er ist nicht nur in Sachen Personenverkehr ein Mongolei-Profi. Seine Firma Almandine Capital investiert hier in einem Markt, der seit Jahren mit Wachstumsraten im zweistelligen Bereich beeindruckt.

„Die Mongolei zählt zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und entwickelt sich damit rasant zu einem attraktiven Wirtschaftsraum“, erklärt Oskar Andesner, Wirtschaftsdelegierter in Peking. Er ortet für Unternehmer attraktive Investions-, aber auch Absatzmöglichkeiten in dem Binnenstaat.

Seien es nun die Kohlekraftwerke und Minen, die ohne ausreichende Klär- und Filteranlagen zu den Umweltproblemen der Mongolei beitragen, oder auch die Infrastruktur in Ulan Bator – der Hauptstadt mit der weltweit größten Luftverschmutzung. „Hier bieten sich ungenutzte Geschäftschancen“, sagt Andesner.

Wohnraum, Straßennetz und Wasserversorgung

Die Regierung steigert laufend ihre Investitionen in das Verkehrsnetz, plant einen internationalen Flughafen und will die Eisenbahn ausbauen. So führt bislang nur eine asphaltierte Nord-Ost-Achse durch die Mongolei, der Plan für eine Ost-West-Achse der gleichen Art wurde schon weitestgehend realisiert.

Aber der Großteil der übrigen Straßen sind Schotterpisten, die nun ausgebaut werden. In Ulaanbaatar selbst zeigt sich das Wachstum im Phänomen von Verkehrsstaus. „Viele Flächen werden derzeit umgewidmet. Wenn es bei Wohnblöcken einen Innenhof mit Spielplatz gibt, weicht dieser oftmals einer Tiefgarage oder Ähnlichem“, erzählt Max Rettenwender.

Die Hauptstadt wurde in den 60er Jahren für 300.000 Menschen geplant, heute leben hier 1,6 Millionen Menschen, die Wohnraum, Gesundheitseinrichtungen und Wasserversorgung benötigen.

„Die wichtigste Transportroute ist die Transsibirische Eisenbahn, dann die Transmongolische bis nach Peking. Das ist die kürzeste Eisenbahnverbindung zwischen Europa und China. Dennoch muss die Strecke, die im Moment nicht doppelgleisig ist, modernisiert und elektrifiziert werden“, weiß Karl Trettler,

Manager bei Bilfinger Bohr- und Rohrtechnik. Er berät den Gouverneur und Bürgermeister von Ulan Bator in Kraftwerks- und Energiefragen und bringt auch gerne mongolische Wirtschaftsdelegationen mit österreichischen Unternehmen zusammen.

Finanzierung gesichert

Das Geld für die Investitionen ist durchaus vorhanden: Neben dem Staat, der mit Mineralien, seltenen Erden und riesigen Kohlevorkommen gut verdient, ist die Mongolei Spielfeld für ausländische Kofinanzierer wie die Asian Development Bank oder die European Bank for Reconstruction and Development.

„Auch wir haben schon erfolgreich ein Projekt in der Mongolei realisiert, um kleine und mittelgroße Betriebe zu finanzieren“, erzählt Marcel Spechtler, Senior Manager bei der Österreichischen Entwicklungsbank.

China und Russland als wichtigste Investoren

Noch ist die Wirtschaft in fester Hand von chinesischen Investoren, Russland beschränkt sich fast nur auf Kraftstoffexporte. Doch die Beziehung ist zu beiden Ländern historisch belastet.

Russland ist aus Sowjetzeiten ein suspekter Nachbar, während der übermächtige wirtschaftliche Einfluss der Chinesen die mongolische Regierung nach Alternativen suchen lässt. 90 Prozent des Außenhandels finden mit China statt.

„Wir müssen unsere Wirtschaftsbeziehungen viel breiter aufstellen, auch weil wir mit den Methoden unserer Nachbarn nicht immer einverstanden sind“, sagt der Bürgermeister von Ulan Bator, Erdene Bat-Uul. Er bezeichnet das Thema Korruption offen als eines der Hauptprobleme des Landes.

Der derzeitige Präsident Tsachiagiin Elbegdordsch wurde mit einer Kampfansage gegen die Korruption vor fünf Jahren ins Amt gewählt. Sein Wahlversprechen scheint Realitätsbezug zu haben. Im Jahr 2009 rangierte die Mongolei noch auf Platz 120 des Transparency International Corruption Perceptions Index.

Vier Jahre später findet sich der Binnenstaat auf Rang 83 – knapp hinter seinem südlichen Nachbarn China (Platz 79) und weit vor Russland (Platz 127).

Handelsabkommen zwischen Österreich und der Mongolei

Mit Deutschland gibt es seit vier Jahren eine Rohstoffpartnerschaft, und das bilaterale Handelsabkommen zwischen Österreich und der Mongolei entwickelt sich seit einigen Jahren positiv.

„2013 konnte mit einem Handelsvolumen von knapp 20 Millionen Euro ein Rekordergebnis erzielt werden“, stellt Oskar Andesner die bescheidenen Dimensionen klar.

Dennoch: durch die jahrhundertelange geopolitische Isolation ist die Tendenz spürbar, sich an den Westen anzulehnen. Das drückt sich geschäftlich oft mit einem Vertrauensvorschuss gegenüber europäischen Unternehmen aus. „Die Erwartungen der Mongolen an den Westen sind sehr positiv, zum Teil auch naiv. Damit sollte man fair und vorsichtig umgehen“, sagt Karl Trettler.

Meistens funkelt die Begeisterung in den Augen des Vizepräsidenten der Austrian Mongolian Business Corporation auf, wenn er von der Mongolei spricht. Und das liegt nicht nur an den unkonventionellen Verkehrsverbindungen.

(Lena Kranawetter)

Wer Ulan Bator besucht, versteht, wovon Wissenschaftler sprechen, wenn sie den Megatrend der Urbanisierung umzirkeln: die Steppenkapitale wuchs in den vergangenen zehn Jahren um eine halbe Million Einwohner. Mittlerweile lebt fast jeder zweite Mongole hier, und der Zuzug hält immer noch an.

Für Stadtentwickler ist die Metropole Studienobjekt und Betätigungsfeld zugleich. Für Letzteres ist vor allem der charismatische Bürgermeister Erdene Bat-Uul, 57, verantwortlich, der die Hauptstadt seit 2012 mit erstaunlicher Dynamik regiert.

Der ausgebildete Lehrer war Ende der Achtzigerjahre führender Kopf des Widerstandes gegen das kommunistische Regime des Satellitenstaates. Damals ging Bat-Uul in Haft und Hungerstreik, seither ist er in der Politik. Als eine seiner ersten Amtshandlungen als Bürgermeister ließ er 2012 die letzte Lenin-Statue des Landes demontieren und versteigern. Der Rufpreis für den zehn Meter großen Bronze-Wladimir-Iljitsch: 300 Euro.

Modernes Verwaltungswesen

In Sachen Selbstvermarktung, aber auch Transparenz könnten hiesige Kommunen von Ulan Bators Stadtverwaltung durchaus lernen. Wenn städtische Grundstücke verkauft oder auch nur verleast werden, erfolgt die Ankündigung im Internet.

Für die Infrastrukturentwicklung gibt es einen „Masterplan 2020“, aber wie die Stadt im Detail investiert, folgt nicht selten der Logik von modernen Bürgerbeteiligungsverfahren. Bat-Uul selbst gibt sogar seine Reisekosten im Internet bekannt: „Ich denke, wir müssen Transparenz auch vorleben“, sagt er seinem verwunderten Gesprächspartner und räumt ein: „Außer einigen Journalisten hat das allerdings bisher

kaum jemanden interessiert.“