Felsners Faktencheck : Johann Kalliauer im Münchhausen-Test

Felsners Faktencheck
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Lieber Herr Kalliauer,

in der Tat. Dass 78 Prozent der über 45-Jährigen in Ihrer Umfrage angeben, nur noch schwer wieder einen Job zu finden, ist nicht erfreulich. Wie Sie zudem folgerichtig ausführen, ist der effektive Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen mit einem Plus von 14,5 Prozent auf rund 80.000 Personen absolut besorgniserregend. Nicht zuletzt auch, weil die Dauer der Erwerbslosigkeit bei älteren Personen verhältnismäßig lang ist. Ich pflichte Ihnen vorbehaltlos bei, dass wir diesen Entwicklungen möglichst rasch gegensteuern müssen. Ihre Rückschlüsse aus diesen Problemfeldern bzw. speziell die Herleitung der Ursachen kann ich allerdings nur sehr bedingt teilen.

Später in Pension, länger arbeiten. So lauten die Forderungen der Wirtschaft.

Sogar Ihre Parteigenossen haben erkannt, dass das faktische Rentenantrittsalter in Österreich mit derzeit 58,5 Jahren absolut nicht tragbar bzw. finanzierbar ist, und haben entsprechende Pensionsreformen eingeleitet. Also nochmals zur Klarstellung: Die Rentenreformen wurden von der Regierung und nicht von der Industriellenvereinigung beschlossen.

Tatsächlich ist in kaum einem anderen EU-Land die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer niedriger als in Österreich.

In kaum einem anderen EU-Land gibt bzw. gab es dermaßen attraktive Möglichkeiten, früh in Pension zu gehen. In der Vergangenheit hat man nach 40 Versicherungsjahren seine maximale Rentenhöhe erreicht. Dass unter solchen Rahmenbedingungen die Nachfrage nach einem Job in hohem Alter enden wollend hoch war, liegt auf der Hand.

Das Pensionssystem wird seit vielen Jahren schlechtgeredet. Deswegen glauben viele Menschen, dass sie mit ihrer staatlichen Rente nicht auskommen werden (laut Ihrer Umfrage konkret: 29 Prozent der unter 26-Jährigen und 21 Prozent der über 45-Jährigen).

Diese Ausführung irritiert mich etwas in Zusammenhang mit Ihrer aktuellen Forderung, die Lohnsteuer endlich zu senken. Hier sprechen Sie davon, dass das Leben immer teurer wird und den Arbeitnehmern kaum mehr etwas übrig bleibt. Das würde folgenden Umkehrschluss beispielsweise für eine 55-Jährige Frau – die derzeit mit ihren Fixkosten kämpft – nach sich ziehen. Sobald diese Dame mit dem 60. Lebensjahr in Pension geht, ist alles wieder gut, weil die staatliche Rente Ihrer Einschätzung nach ja für alle ausreicht. Also entweder ist die Pension dann höher als das aktuelle Einkommen dieser Dame oder die Fixkosten wie Miete oder Lebensmittel verbilligen sich dann entsprechend.

Aus folgenden drei Gründen bin ich – im Gegensatz zu Ihnen – über die Umfrageergebnisse betreffend nicht ausreichend hohe Pensionen nicht überrascht.

1. Versand Pensionskontomitteilung

Das Pensionskonto sorgt endlich für Transparenz im staatlichen Rentensystem. Trotz Beteuerung der Arbeiterkammer, dass die Pensionen für alle ausreichend wären, haben viele Österreicher unverschämterweise aus der Pensionskontomitteilung trotzdem hochgerechnet, was sie tatsächlich zu erwarten haben. Offenbar nicht alle Menschen scheinen mit dem Ergebnis zufrieden.

Übrigens besagt eine aktuelle Umfrage von GfK, dass Arbeiten in der Pension kein reiner Zeitvertreib ist. Circa 64.000 Österreicher sind trotz Bezugs einer staatlichen Rentenleistung noch erwerbstätig. 49 Prozent davon geben an, von ihrer gesetzlichen Pension alleine nicht leben zu können.

2. Kein Job im hohen Alter

Wie Sie selbst ausführen, beantworten 53 Prozent der über 45-Jährigen, dass sie ihren Job nicht bis zum Regelpensionsalter unter den derzeitigen Bedingungen ausführen können. Pauschal den Arbeitgeber dafür anzuprangern, ist allerdings naiv. Eine Baufirma trägt kaum die Verantwortung dafür, dass ihre Maurer – naturgemäß aus körperlichen Gründen – nicht bis 65 in ihrem erlernten Beruf arbeiten können. Fakt ist jedenfalls: Wer seinen Job verliert oder wer früher in Pension geht, muss massive Abstriche bei seiner staatlichen Renten in Kauf nehmen. Das sollte klar kommuniziert und nicht anderen in die Schuhe geschoben werden.

Das Bonus-Malus-System für Unternehmen mit mehr bzw. weniger älteren Mitarbeitern als Ihr Lösungsansatz für das Problem ist aber mehr Auslöser als tatsächliches Heilmittel. De facto geben österreichische Kollektivverträge ein exzessives Bonus-Malus-System bereits jetzt vor. Je älter der Mitarbeiter, desto höher sein Gehalt. Das jetzt mit Straf- bzw. Bonuszahlungen wieder etwas zu entschärfen, ist widersinnig. Ein sinnvoller Ansatz wäre, die Gehaltskurve massiv abzuflachen und damit auch junge Menschen besser zu entlohnen und sie damit auch bei der Familiengründung zu unterstützen. Die Kombination aus hohen Gehältern und entsprechendem Kündigungsschutz ist für Jobperspektiven von älteren Personen katastrophal.

3. Auswirkungen Pensionsreform – Frauen u. a. als große Verlierer

Dass nicht mehr die besten 15 Jahre für die Pensionsberechnung herangezogen werden sondern nun die lebenslange Durchrechnung gilt, spricht sich inzwischen langsam auch zu den großen Verlierern dieser Reform durch. Meine Frau beispielsweise hat neben unseren beiden Kindern und Haushalt einen 10-Stunden-Job. Dafür erhält sie rund 400 Euro monatlich. Ihre monatliche Pension erhöht sich durch dieses Erwerbsverhältnis um etwa 7 Euro brutto. Im alten Pensionsrecht – und so wurde es meiner Frau zu Beginn ihrer Karriere versprochen – hätte sich diese Teilzeitbeschäftigung noch mit einem Rentenplus von über 50 Euro monatlich zu Buche geschlagen.

Lieber Herr Kalliauer, Sie sprechen wichtige Probleme in unserem Sozialsystem an, andere verharmlosen sie dagegen. Es wird definitiv nicht jeder Österreicher in der Pension am Hungertuch nagen, für viele Menschen wird es aber richtig eng werden. Es bedarf großer gemeinsamer Anstrengungen, den Arbeitsmarkt für ältere Menschen zu beleben. Zur Vermeidung der Altersarmut bedarf es vor allem Ehrlichkeit und Offenheit in Zusammenhang mit den zu erwartenden Leistungen. Das würde zumindest vielen Betroffenen helfen, sich rechtzeitig auf massive finanzielle Einschränkungen einzustellen bzw. entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Ronald Felsner ist Geschäftsführer der 4 sales development KG, Lehrbeauftragter an der Donauuniversität Krems und Trainer für die Finanzbranche mit Schwerpunkt gesetzliche Sozialversicherung.