Konjunktur : IV fürchtet "hausgemachte Herbstflaute"

Die Industriellenvereinigung (IV) sieht den Wirtschaftsaufschwung in Österreich "hoch gefährdet": Die Konjunkturerholung drohe zu straucheln. Wenn jetzt nicht gegengesteuert werde, folge auf eine klassische Frühjahrserholung eine "hausgemachte Herbstflaute", warnte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Pressekonferenz.

Das aktuelle IV-Konjunkturbarometer, das heute präsentiert wurde, zeige einen Rückgang beinahe aller Indikatoren, sowohl der aktuellen als auch der künftigen. Die Frage laute nicht, ob der Aufschwung die Kraft früherer Zyklen erreiche, sondern ob er Österreich überhaupt erreiche. Man laufe Gefahr, ein frühzeitiges Ende der Konjunkturerholung zu erleben.

Grund dafür seien nicht nur geopolitische Unsicherheiten, sondern vor allem mangelnde Standortperspektiven im Inland. An Strukturreformen führe kein Weg vorbei. Die Politik gefordert sieht Neumayer bei der Wiederherstellung des Vertrauens, es gehe um ein Miteinander des Vertrauens in eine langfristig verlässliche Wirtschaftspolitik. Ein Kernpunkt sei auch der Gestaltungswille bei der Umsetzung vereinbarter Punkte. Wichtig seien Strukturreformen und eine Steuerstrukturreform. Entlastet werden müsse der Faktor Arbeit und dabei gehe es auch um ein klares Signal zur Lohnnebenkostensenkung. Neumayer bekräftigte die Ablehnung einer Steuerreform auf Pump. Es dürfe nicht zu neuen Belastungen kommen, man sei belastet genug. Angehen müsse man endlich auch das Thema Bildung.

Die Fortschritte bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sowie die offensive Geldpolitik der EZB reichten nicht mehr aus, um eine günstigere Konjunkturperspektive zu schaffen, die Wachstumsdynamik in den Schwellenländern lässt nach. Dazu komme, dass Russland mit einer markanten Abschwächung konfrontiert sei. Im Mai seien die österreichischen Exporte nach Russland um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken. Russland stehe bei Österreichs Exportländern an zehnter Stelle. Die Krise sei noch lange nicht vorbei. Bei Russland sprach sich Neumayer für eine politische Lösung aus, entscheidend sei eine De-Eskalation.

IV-Chefökonom Christian Helmenstein wies darauf hin, dass Österreichs Wachstumsvorsprung gegenüber Deutschland verloren gehe. Für Österreich prognostizierten die Wirtschaftsforscher heuer ein Wachstum von rund 1,5 Prozent, für Deutschland von rund 2 Prozent. Noch halte man die Wachstumsprognose für Österreich aufrecht, es dürfe aber kein weiteres Quartal wie das soeben abgelaufene zweite folgen. Das Menetekel eines strukturellen Wachstumsrückstands gegenüber Deutschland drohe Realität zu werden. Wichtig sei, dass auch in Österreich so wie in Deutschland wieder Erweiterungsinvestitionen getätigt würden.

Der Aufschwung sei bis dato in Österreich nicht angekommen. Es sei nun auch zu befürchten, dass - ausgehend von Deutschland - der konjunkturelle Wendepunkt schon überschritten sei. Von einer Rezession könne man aber noch nicht sprechen. Mit einer stärkeren Konjunktur in Deutschland und Mittel- und Osteuropa könnten die Schwächen eine zeitlang kaschiert werden.

Bei der Breitband-Milliarde in Österreich rechnet Neumayer mit einer Lösung. Helmenstein wies heute darauf hin, dass der Breitbandausbau die höchsten Renditen bei Infrastrukturinvestitionen brächte und dann erst die anderen Infrastrukturprojekte folgten.

Das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) könnte bis zu 20.000 Arbeitsplätze in Österreich bringen, so Neumayer. Angesichts der vielen Meinungsäußerungen zu diesem Thema appellierte er, wieder zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren und das Ergebnis abzuwarten.

Das IV-Konjunkturbarometer - der Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und jener in sechs Monaten - sank von 26 auf 19 Punkte. Den einzigen Aufwärtstrend habe es bei den Produktionserwartungen gegeben. Die Unternehmen trachteten derzeit die bestehenden Aufträge abzuarbeiten.

Daher sei auch die Beschäftigungslage noch stabil. Wenn die Rückgänge bei den Auftragseingängen anhielten und sich die Investitionsbedingungen nicht verbesserten, sei zu befürchten, dass es auch zu sinkender Produktion und Beschäftigung kommen werde. Der Ertragsdruck nehme zu. Bei der Ertragssituation ginge die Einschätzung mit plus 1 Punkt (zuletzt +7 Punkte) gegen die Nulllinie, die Ertragserwartungen seien aber weniger stark gesunken. (apa/pm)