ÖIAG-Aufsichtsratschef : Kritik an ÖIAG-Aufsichtsratschef Wolf wird lauter

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Eigenjagd und diskrete Putts: Siegfried Wolf liebt das Weidwerk und das Golfspiel – am allermeisten auf eigener Scholle. Vor einigen Wochen hat der Feldbacher Bauernsohn, heute Verwaltungsratschef und 10-Prozent-Eigner des russischen Auto- und Maschinenbaukonzerns Russian Machines, wohl ein Hole in One gelandet: In einem Deal, der rückwirkend mit Jahresbeginn gilt, erwarb er um 24,4 Millionen Euro den 120 Hektar großen Golfklub Fontana und das Schloss Oberwaltersdorf.

Die Edelimmobilie liegt nicht weit von den 238 Hektar Eigenjagd in der niederösterreichischen Gemeinde Puchberg am Schneeberg, die Wolf zwei Jahre zuvor erstanden hat. Verkäufer der Ländereien war der ehemalige Arbeitgeber Wolfs, der Automobilzulieferkonzern von Frank Stronach, Magna International.

Dass der Verkauf der Magna-Golfplätze und -Forstgüter ein schlechtes Geschäft für Wolf gewesen wäre, darf bezweifelt werden. Denn für Immobilien hat Wolf ein Händchen. Und die Deals mit dem ehemaligen Arbeitgeber haben sich bisher stets als lukrativ erwiesen: 2011 erwarb er – gemeinsam mit Stronach – das bekannte Schloss Reifnitz am Wörthersee vom kanadischen Automobilzulieferer.

Kolportierter Kaufpreis: 14 Millionen

Magna hat einige Jahre zuvor laut Medienberichten noch 22 Millionen dafür ausgegeben. Ähnlich einträglich der Deal um das Stadtpalais in der Wiener Elisabethstraße. Laut der Tageszeitung Kurier soll Wolf Letzteres um 8,4 Millionen Euro erstanden haben.

2007 erwarb Magna das Bauwerk um mehr als 14 Millionen. Immerhin: Im Falle der neuen Ländereien Wolfs haben sich die aktuellen Magna-Entscheider rund um Don Walker nicht gegen die Veräußerungen quergelegt. Und mit einem geschätzten Jahreseinkommen von über zehn Millionen Dollar und Aktienpaketen seiner Arbeitgeber – sowohl bei Magna als auch bei Russian Machines – hat Wolf mittlerweile die nötige Bonität, dem Pitch und Weidwerk auf eigenem Grund und Boden zu frönen.

Chefaufseher im Rampenlicht

Die Immobiliengeschäfte von Siegfried Wolf könnten für die Öffentlichkeit von chronikalem Interesse sein. Könnten. Denn seit Ende Juni ist der Steirer auch Aufsichtsratsvorsitzender der Österreichischen Industrieholding ÖIAG. Und der Konzern, dessen einflussreicher Oberaufseher er ist, verwaltet drei der wichtigsten Unternehmensbeteiligungen der Republik Österreich: die Post AG, die Telekom Austria – und die OMV.

Bei der Telekom hat Wolf noch als einfacher Aufsichtsrat im Frühjahr federführend einen Syndikatsvertrag verhandelt, der (wohl zu Unrecht, siehe Kasten „Unfreundliche Übernahme“) als Privatisierung ohne Auftrag – und insgesamt als schlechtes Geschäft für die Republik – gilt. Und bei der weitaus größten ÖIAG-Beteiligung, der OMV, stehen in den kommenden Monaten Weichenstellungen an, die deutlich über die Personalentscheidungen hinausgehen.

Da geraten Charakter, Führungsstil, aber auch persönliche und politische Ansichten eines letztlich unangreifbaren Chefaufsehers ins Rampenlicht. Soll und darf ein Schattensekretär vom Schlage Siegfried Wolf das Tafelsilber der Republik hüten?

Zugegeben, das ÖIAG-Gesetz aus dem Jahr 2000 lässt Wolf großen Spielraum. Denn die Aufsichtsratsmitglieder der Österreichischen Industrieholding nominieren, so der Gesetzestext, ihre Nachfolger selbst und lassen darüber im Kontrollgremium abstimmen. Der Aufsichtsrat, der so im Laufe der Jahre immer deutlichere Züge eines Freundeskreises annimmt, perpetuiert sich derart immer wieder selbst.

Kein Wunder, dass das Biotop, in dem Siegfried Wolf im Juni zum Aufsichtsratschef bestellt wurde, deutliche Überschneidungen mit der Vita des Feldbachers zeigt. Etwa im Falle von Wolfs zweitem Vize Thomas Winkler.

Schillernder Brotjob

Der langjährige Bekannte Wolfs (er hat ihn im Jahr 1997/98 als „Leiter Sonderprojekte“ zur Magna Holding geholt) und ausgewiesene Kapitalmarktspezialist hat einen schillernden Brotjob: Er ist CFO des russischen Ölkonzerns Bashneft mit Sitz in Ufa/Teilrepublik Baschkortostan, der wiederum zum Sistema-Konzern des Oligarchen Wladimir Jewtuschenkow gehört.

Bereits im Oktober 2013 ist die Jus-Professorin Brigitta Zöchling-Jud als Nachfolgerin der verstorbenen Theresa Jordis ins Gremium gewählt worden. Ihr Ehemann Stephan Zöchling (Wolf ist Trauzeuge des Ehepaares) begleitete Wolf von Magna nach Moskau und ist heute CEO von Transstroy, dem Infrastruktur-Bauunternehmen im Reich von Wolfs Brötchengeber Oleg Deripaska.

Vorwurf der Freunderlwirtschaft

Transstroy galt bis vor wenigen Wochen noch als Wunschbeteiligung des Baukonzerns Strabag, in dem Wolf ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt. Offen steht derzeit die Nachfolge von Brigitte Ederer, deren Abgang im September für Schlagzeilen sorgte. Die von Wolf vorgeschlagene Garagenerbin und Immo-Unternehmerin Bettina Breiteneder gilt als eine der möglichen Kandidatinnen.

Sie hält 25 Prozent an der B&W Liegenschaftsverwertung, 25 weitere Prozent am Unternehmen hält Wolf. Er hatte sie bereits im Juni nominiert, war aber damals nicht durchgekommen. Kritik an der Optik bei der Zusammensetzung des Kontrollgremiums lässt Siegfried Wolf kalt.

In einem Interview mit dem Mittagsjournal bezeichnet er den Vorwurf der Freunderlwirtschaft als „Lächerlichkeit“.

Der Deripaska-Manager und sein Schattenkabinett wären mittendrin, wenn bei der OMV in den nächsten Wochen die Weichen neu gestellt werden. Zwar dürfte die unmittelbare Gefahr, dass Teile der OMV an potenzielle (russische) Interessenten veräußert werden (INDUSTRIEMAGAZIN berichtete in Ausgabe 7/8, 2014), nicht bestehen, wie Rudolf Kemler, ÖIAG-Alleinvorstand und Aufsichtsratsvorsitzender der OMV, gegenüber INDUSTRIEMAGAZIN betont.

Doch die Notwendigkeit einer Neuordnung der OMV ist Fakt. Das einst so profitable Gasgeschäft ist zu einem nachhaltigen Verlustbringer geworden. Im Aufsichtsrat wird derzeit sogar die völlige Auflösung der Sparte diskutiert – eine Entscheidung wurde in den Oktober vertagt. Zugleich empfindet der 24,9-Prozent-Aktionär IPIC die aktuelle Konzentration des Vorstandsvorsitzenden Gerhard Roiss auf das Explorationsgeschäft als zu „risikobehaftet“ und wünscht eine stärkere Diversifizierung.

Kleinkrieg mit Gas-Vorstand Floren

Strategische Entscheidungen, die von der ÖIAG und ihrem Aufsichtsratspräsidenten abgesegnet und gebilligt werden müssen. Dazu kommt ein immer dringender werden der Zweifel an der Teamfähigkeit des OMV-Vorstandsvorsitzenden, der sich in einen vom Umfeld als „grotesk“ bezeichneten Kleinkrieg mit seinem aktuellen Gas-Vorstand Peter Floren befindet. Die persönlichen Auseinandersetzungen wirken sich bis tief in das operative Alltagsgeschäft der OMV aus.

Rückzug von Jaap Huijskes

Eine Neubesetzung des gesamten Vorstandes in der OMV ist nicht erst seit dem Rückzug von Jaap Huijskes, aktuell für Exploration und Produktion zuständiger Vorstand der OMV (und von AR-Chef Kemler unvorsichtigerweise als Roiss-Nachfolger ins Spiel gebracht), nach Ansicht aller Insider unvermeidlich.

In dieser auf Jahre wirksamen Personalentscheidung hat die ÖIAG mit ihrem Aufsichtsratspräsidenten Wolf das bestimmende Wort – solange die Dinge sind, wie sie sind.

Wie alle Selfmademen ist Siegfried Wolf zutiefst überzeugt, zu wissen, was gut für andere ist. Seine Fähigkeiten prädestinieren ihn, im Auftrag anderer Aufsteiger wie Frank Stronach oder Oleg Deripaska das Ruder großer Konzerne in die Hand zu nehmen.

Freilich kämen die Oligarchen – im Gegensatz zur Republik Österreich – niemals auf die Idee, auf jede Kontrolle und Eingriffsmöglichkeit in ihre eigenen Unternehmen zu verzichten. Insofern ist die weit und breit einzigartige Funktion eines nicht rechenschaftspflichtigen ÖIAG-Aufsichtsratspräsidenten für einen neoliberalen Missionar wie Siegfried Wolf ein Lotto-Sechser.

Ende des absolutistischen Regnums

Doch mittlerweile deuten die Zeichen auf ein Ende des absolutistischen Regnums von Siegfried Wolf. Die rote Reichshälfte läuft seit längerem Sturm gegen das alte ÖIAG-Gesetz und gegen den neuen Präsidenten. Sie drängt auf Realisierung des Projekts „ÖIAG neu“, das sich bereits im Regierungsübereinkommen aus dem Herbst 2013 wiederfindet.

Die ÖVP, der die wirtschaftsliberale Denke im Aufsichtsrat bisher näher war als ein drohender AK-Direktor Werner Muhm als Aufseher, zeigte bisher wenig Interesse. Doch Neo-Parteivorsitzender Reinhold Mitterlehner hat eine neue ÖIAG-Regelung zur Chefsache erklärt. Der Berg scheint zu kreißen.

Ob schon bei der Regierungsklausur in Schladming oder in den Wochen danach – seit der Bestellung Wolfs zum Aufsichtsratschef ist Bewegung in die Sache gekommen. Wie in alten Austrian-Industries-Zeiten werden Gerüchte gestreut, Nebelkerzen geworfen und Interessen und Personen in Position gebracht.

Ein vorzeitiges Ausscheiden aus seinen ÖIAG-Funktionen würde Wolfs Arbeitspensum übrigens nur bedingt entlasten. Denn der Russian-Machines-Macher ist just am Tag nach seinem ÖIAG-Avancement in einen weiteren Aufsichtsrat eingezogen. Jenen des deutschen Automobilzulieferers Schaeffler.

Dessen Mehrheitsaktionärin, die Auto-Magnatin Elisabeth Schaeffler, war dafür am Tag zuvor aus dem ÖIAG-Aufsichtsrat ausgeschieden.