Maschinenbau : Wie geht es weiter mit KBA-Mödling?

Drei Tage herrscht im Mödlinger Werk gespenstische Stille. Keine Maschine läuft, keine einzige Schraube wird angezogen. Kunden warten vergeblich auf Ersatzteile. Drei Tage – dann ist der Arbeitskampf im Tochterwerk des deutschen Druckmaschinenbauers Koenig & Bauer gegen die harten Sparpläne auch schon wieder vorbei. Durch eine Konzentration der Produkte auf einzelne Standorte sollen an den Standorten Mödling und Ternitz ursprünglich bis zu 460 Stellen wegfallen.

Das Verhandlungsergebnis der Sozialpartner Mitte Februar: Die komplette Montage der Bogenoffsetaggregate – Unterbau, Anleger und Greifer – wandert ins sächsische Radebeul. Ganz dichtgemacht wird der Standort Ternitz mit 60 Mitarbeitern und der Zylinderbeschichtung. Insgesamt 385 Arbeitsplätze werden abgebaut, immerhin 365 Jobs bleiben am Standort erhalten. „Jetzt geht es darum, unter schwierigsten Umständen wieder ein Leben herzustellen“, heißt es Mitte Februar in Mödling.

Nicht die leichteste Fingerübung für den KBA-Mödling-Vorstand. Denn für zusätzliche Verunsicherung unter der Belegschaft sorgen Gerüchte, die deutsche Mutter könnte den Österreich-Standort früher oder später ganz fallenlassen. „Mit 365 Mitarbeitern ist man schneller weggelöscht als mit 750 Mitarbeitern“, befürchtet ein KBA-Insider.

Kapazitätsanpassung

In der Druckmaschinenbranche geht ein Gespenst um. Das Zeitungssterben trifft die Maschinenhersteller mit voller Wucht. Seit Jahren sind die Bestellungen bei den Rollendruckmaschinen rückläufig. Der Weltmarkt für Rollenmaschinen ist seit 2006 um fast drei Viertel auf eine halbe Milliarde Euro geschrumpft. Auch der Markt für Bogenoffsetmaschinen dürfte bei 2,5 Milliarden Euro stagnieren. Und aus dem seit jeher zyklischen Markt für Wertpapierdruckanlagen kämen seit 2012 „deutlich weniger Bestellungen“, heißt es bei Koenig & Bauer. Druckmaschinenbauer verordneten sich deshalb einen beinharten Sanierungsschnitt. Der weltgrößte Hersteller, Heidelberger Druck, streicht seine Belegschaft von einst 20.000 Beschäftigten bis Jahresende auf 13.500 Beschäftigte zusammen.

Auch bei Koenig & Bauer brach die Produktion von Rollendruckmaschinen ein. Der Konzern glaubt selber nicht mehr an eine Erholung der Printbranche. Schlimmer noch: Das wachsende Geschäft mit Verpackungsdruckmaschinen fängt die Ausfälle nicht auf. Der Betrieb plagt sich mit strukturellen und personellen Überkapazitäten. In den nächsten Jahren rechnen die Deutschen bestenfalls mit stagnierenden Umsätzen (2012: 1,3 Milliarden Euro) – und heuer mit einem Verlust.

Und so gab es bei der Hauptversammlung Ende Jänner nicht nur eine Personalie abzuwickeln – nämlich die Bestellung der zwei zusätzlichen Vorstände, Ralf Sammeck, Leiter Bogenoffsetmaschinen am Standort Radebeul, und Christopher Kessler, Rechtschef bei Koenig & Bauer, ins Management der KBA-Mödling. Endgültig besiegelt wurde auch der Aderlass am Standort Mödling im Zuge des Restrukturierungsprogramms „fit@all“. Ein Sparkurs, der die Wogen Anfang Februar hochgehen lässt: Auch deshalb, weil die „österreichischen Standorte immer als ertragreich, verlässlich und höchst produktiv“ bezeichnet wurden, macht sich ein Branchenexperte Luft.

Vorzeigewerk Mödling

Und das ist es, was viele so zornig macht: Mödling genießt seit Jahren den Ruf eines Vorzeigewerks. In Sachen Produktivität und Liefertreue brauchen sich die Niederösterreicher nicht zu verstecken. „Wir verbesserten nach und nach radikal unsere Prozessflüsse“, heißt es aus der Fertigung in Maria Enzersdorf.

Die deutsche Mutter rührte das wenig. „KBA-Mödling hatte bisher die großen KBA-Standorte Radebeul und Würzburg als alleinige konzerninterne Kunden und musste sich nicht dem harten Wettbewerb mit ungenügend ausgelasteten, konkurrierenden Herstellern stellen wie die KBA-Standorte in Deutschland“, sagt Konzernsprecher Klaus Schmidt dem INDUSTRIEMAGAZIN. Nachfrageschankungen wären in Mödling „meist durch Produktion auf Vorrat“ ausgeglichen worden. „Ideale Rahmenbedingungen“, unter denen es sich „natürlich besonders gut wirtschaften“ lasse. Dies könne sich der Konzern „wegen der hohen Kapitalbindung nicht mehr leisten“, sagt Schmidt.

Konzentration auf Kernkomponenten

Die Umstrukturierung des Konzerns beinhalte eine „Reduzierung der Wertschöpfungstiefe an den einzelnen Standorten mit einer stärkeren Konzentration auf Kernkomponenten“, heißt es offiziell seitens Koenig & Bauer. Kapitalintensive Bearbeitungsmaschinen würden damit „besser und wirtschaftlicher ausgelastet“ . Ein Vorhaben, das ein leitender Mitarbeiter in Mödling säuerlich kommentiert. „Mit unserer Last sollen nun die deutschen Maschinen ausgelastet werden“.

Die Vermutung, dass der deutsche Maschinenbauer seine positiv bilanzierende österreichische Tochter (EGT 2012: 4,75 Millionen Euro) „opfere“, um sich Ärger mit den Gewerkschaften in Deutschland zu ersparen, liegt für manchen nah. Zwar baute der Maschinenbauer an seinen deutschen und tschechischen Standorten in den vergangenen Jahren zig Stellen ab. Mit der Einsparung von 385 Jobs trifft den heimischen KBA-Standort das jüngste Sanierungsprogramm der Deutschen – Zielsetzung: Einsparung von konzernweit bis zu 1500 Stellen – aber prozentuell härter als andere Konzerntöchter. „In Deutschland ist die Gewerkschaft irre stark, daher mussten alle Standorte ein bisserl leiden“, vermutet ein anderer KBA-Mödling-Insider.

Der Österreich-Vorstand will sich gegenüber diesem Magazin auch dazu nicht äußern. Dafür Koenig & Bauer-Pressesprecher Klaus Schmidt. Fit@All sei ein aufgrund der Marktentwicklung „notwendiges Programm für die KBA-Gruppe“, sagt er. „Daraus einen deutsch-österreichischen Gewerkschaftskonflikt konstruieren zu wollen, geht völlig am Thema vorbei“, sagt er. Sind die Einschnitte letztlich ein unausweichliches Mittel zur Schadensbegrenzung, die den Fortbestand des Mödlinger Werks auf Dauer sichern kann?

Synergien verloren

Solcherlei Optimismus herrscht bei vielen Mitarbeitern in Mödling derzeit nicht vor. Denn ein Erfolgsfaktor der Niederösterreicher war bisher, mit den Mittelformatmaschinen „das volumenstärkste Programm des Konzerns am Standort zu haben“, heißt es in Mödling. Und nicht nur das. Wichtige Komponenten wie Anleger und Unterbauten von Bogenoffsetmaschinen fertigte die Österreich-Tochter bisher teils auf den genau gleichen Maschinen wie jene Teile für den Wertpapierdruck. „Wir liefern mit einer Artikelnummer zwei Baugruppen“, hieß es in Mödling immer. Mit der geplanten Absiedelung von Maschinen, die bis zu anderthalb Jahre dauern könnte, wären zumindest diese Synergien verloren.

Klar ist auch: Ohne endgültiges Absiedelungskonzept werden es die Niederösterreicher zunächst eher schwer haben, wie vorgesehen konzernintern bei neuen Projekten und internen Ausschreibungen mitzubieten, um neue Aufträge zu gewinnen. In einen solchen internen Wettstreit „können wir erst eintreten, wenn klar ist, welche Maschinen und Technologien am Standort erhalten bleiben“, heißt es in Mödling. Auch das vom Vorstand präsentierte, kurz vor der Markteinführung stehende Projekt Staudruckmaschine – eine Konstruktion für Wasserkraftwerke – beäugt mancher in Mödling eher skeptisch. „Das sind Blechkonstruktionen, wo nur sehr wenig Fertigungstiefe dahintersteckt“.

Umwandlung in Montagewerk?

Mutmaßungen, dass die deutsche Mutter den Österreich-Standort mittelfristig ganz fallenlassen könnte – oder das Werk in einen reinen Assemblierungsbetrieb ummodelt, – hielten sich bis zuletzt wacker. Zwar sollen die „bisher in Mödling montierten Wertpapiermaschinen im österreichischen Werk verbleiben“. Die vorgesehene Umstrukturierung, heißt es aber auch, beinhalte „eine Reduzierung der Wertschöpfungstiefe“ an den einzelnen Standorten. Und eine wesentliche Streikforderung – die Rückführung des Projekts „Stahlstichmaschine“ von Würzburg nach Mödling, die aus dem Österreich-Standort das von der Belegschaft viel erhoffte Wertpapierkompetenzzentrum machen hätte können – blieb unerfüllt. Ein entscheidender Faktor, warum Mödling von nun an in Gefahr schwebe, „irgendwann als reines Montagewerk zu enden“, befürchtet ein KBA-Mödling-Mitarbeiter.

„Die Kompetenz für den Wertpapierdruck habe noch nie alleine in Mödling gelegen“, hält Konzernsprecher Klaus Schmidt fest. Das Werk Mödling werde die heute dort angesiedelten Maschinen und Systeme für den Wertpapierdruck „weiter montieren und im After-Sales-Service betreuen“, sagt er. „Bestimmte Aggregate (Anleger) und Teile (Zylinder) sollen künftig aus dem KBA-Werk in Radebeul kommen. Mit dem Wegfall von 385 Jobs ist die Verhandlungsposition der Österreich-Tochter jedenfalls nicht gerade gestärkt, wie man in Mödling missmutig zur Kenntnis nimmt: „Irgendwann wird man eine vernachlässigbare Größe“.