Logistik : Mit welchen Schwierigkeiten Exporteure jetzt in Russland und der Ukraine fertig werden müssen

Der Mann war einiges gewöhnt. Lkw-Lenker können ja mit Standzeiten umgehen. Die 14 Tage, die er an der ukrainisch-russischen Zollstation warten musste, gingen jedoch hart an die Grenzen des jungen Fahrers, der Maschinenteile aus Österreich nach Russland liefern sollte. Hinzu kam die offensichtlich schikanöse Begründung: fehlende Papiere – deren Spezifikation allerdings mehrmals wechselte.

Kein Einzelfall, meint Klaus Hrazdira, Vorstand in der Augustin Quehenberger Group: „So etwas geschieht immer wieder, vor allem bei Lkw mit ukrainischem Kennzeichen. Früher fuhren wir relativ viel mit ukrainischen Frächtern, doch das vermeiden wir heute im Regelfall. Wir setzen den Eigenfuhrpark ein oder russische, polnische oder andere Frächter.“

Ostukraine und Krim isoliert

Die Krim-Krise, der Ukraine-Konflikt, die wechselseitigen Sanktionen – das alles hat längst Auswirkungen auf die Transportbranche. Von Exporten in die umkämpften Gebiete der Ostukraine ist ohnehin keine Rede mehr. In den Bezirken Donetsk und Lugansk ist schon lange kein Lkw mit österreichischer Fracht angekommen.

„Diese Gebiete sind für Transporte mehr oder weniger isoliert“, erzählt Thomas Moser, der bei Gebrüder Weiss die Regionen Südosteuropa und GUS verantwortet. „Es lässt sich nur sehr schwer ein Frächter finden, der bereit wäre, dorthin Transporte durchzuführen. Sie haben verständlicherweise Angst um ihre Lkw und natürlich um das Leben ihrer Fahrer.“

Skeptisch sind die Frächter aber auch gegenüber Transporten in Richtung Krim. Dort herrscht zwar die Ruhe geschaffener Tatsachen, doch die Ungewissheit über die Modalitäten ist groß. Vor allem gibt es keinerlei verlässliche Erfahrungen, wie Zollformalitäten abzuwickeln sind.

Russland: Es wird teurer

Russland hingegen bleibt ein wichtiger Handelspartner Österreichs. Trotz der Sanktionen, die derzeit vor allem Dual-use-Güter und Nahrungsmittel betreffen. „Das Geschäft geht allerdings deutlich zurück“, sagt Klaus Hrazdira, „und die Transportwege sind stark behindert. Früher fuhren wir viel Transit durch die Ukraine, aber heute sind die Unwägbarkeiten an den Grenzen einfach zu groß.“

Laut Wirtschaftskammer sind vor allem die Exporte betroffen: Sie fielen bereits im ersten Halbjahr 2014 um rund zwölf Prozent, die Importe verringerten sich um etwa sieben Prozent. Das hat nicht nur mit der aktuellen Krise zu tun. Bereits in den Monaten davor erlebte der Rubel eine Abwertung um knapp 20 Prozent, was die Exporte stark beeinträchtigte.

Doch nun kommt ein neuer Kostentreiber hinzu: Die angespannte Situation an der ukrainisch-russischen Grenze, Zollschikanen vor allem gegen ukrainische Frächter und der völlig unklare Status im Konflikt um das Thema Carnet-T.I.R. (siehe Kasten) zwingen den Straßentransport auf Umwege.

Statt über die logische Verbindung zwischen Österreich und Russland – die Ukraine – führen die Routen nun über Polen, Weißrussland und das Baltikum. Eine beachtliche Verlängerung der Strecken, die den Transportpreis in die Höhe treibt – im gerade noch einstelligen Bereich, wie Klaus Hrazdira schätzt.

Wer es dennoch über die Ukraine versucht, kommt auch nicht günstiger davon. Abgesehen von teuren Wartezeiten: Da die russischen Zollbeamten für aus der Ukraine kommende Lkw derzeit kein Carnet-T.I.R. akzeptieren, muss für jeden Lkw bei der Einfahrt nach Russland eine eigene Finanzgarantie abgeschlossen werden.

Das alles schreckt Kunden ab. „Bei unseren langjährigen Kunden hält sich die Verunsicherung in Grenzen“, erzählt Klaus Hrazdira, „aber bei potenziellen Neueinsteigern, die eben ein Projekt mit Russland starten wollten, habe ich mehr- mals erlebt, dass der Versuch auf Eis gelegt wurde.“ Wie sehr Österreichs Logistiker betroffen sind, hängt naturgemäß von den Schwerpunkten ab, die sie regional beziehungsweise nach Branche gesetzt haben. Alexander Klacska, Vertreter der Transporteure in der WKO, bezeichnet die Auswirkungen auf die gesamte Branche als erträglich, kennt aber Spezialisten, bei denen es langsam an die Existenz geht.

Doch auch die weniger stark Betroffenen fühlen sich nicht sicher. Bei Gebrüder Weiss etwa steht der nun sanktionierte Konsumgütersektor nicht im Mittelpunkt, „doch wir haben im Bereich Maschinentransporte und Projektgeschäft längere Vorlaufzeiten in Hinblick auf Vertragsgestaltung und Finanzierung“, erklärt Thomas Moser, „daher ist anzunehmen, dass ab dem zweiten oder dritten Quartal 2015 auch die Maschinentransporte rückläufig werden könnten. Gesetzt den Fall, dass es zu keiner Aufhebung der Sanktionen kommt.“

Ukraine: Bonitätsprüfung schützt

Bei Transporten in die Ukraine, meint Thomas Moser, seien Auswirkungen höchstens geringfügig spürbar, „die laufen im Wesentlichen nach wie vor ganz regulär ab“. Probleme entstehen eher indirekt: Die aktuelle Krise hat massive Folgen für die ukrainische Wirtschaft. Zahlreiche Unternehmen gehen in Konkurs – darunter viele Abnehmer heimischer Waren. Thomas Moser rät österreichischen Exporteuren daher dringend zur Bonitätsprüfung ihrer ukrainischen Kunden: „Besonders wichtig ist das wegen einer aktuell erlassenen Verordnung der ukrainischen Nationalbank, die eine Bezahlung von Auslandswaren nur dann genehmigt, wenn sie schon vom ukrainischen Zollamt abgefertigt wurden. Vorauszahlungen ins Ausland sind daher nicht mehr möglich.“

Gelassenheit

Für das Russland-Geschäft empfiehlt WKO-Bundesspartenobmann Alexander Klacska vor allem permanentes Beobachten der Entwicklungen im Konflikt um Carnet-T.I.R. Da die Grenzen zwischen Drohgebärden, Abmachungen und gelebter Praxis oft durchlässig sind, müssen Transportwege manchmal sehr kurzfristig festgesetzt werden.

Quehenberger-COO Hrazdira hat einen weiteren Rat zur Hand: Gelassenheit. „2014 war kein gutes Jahr im Russland-Geschäft, 2015 wird wohl auch nicht berauschend, aber ich rechne damit, dass es spätestens 2016 wieder aufwärts gehen sollte. Und sei es nur, weil diese Krise zu einer Art eingefrorenem Konflikt wird – es wäre nicht der erste.“

Klaus Hrazdira, der im Schnitt zweimal pro Monat nach Russland fliegt, erlebt auf Seiten russischer Geschäftspartner jedenfalls keinerlei Animositäten. Mag sein, dass die viel kritisierte Propaganda der Regierung in ländlichen Gebieten Wirkung zeigt, „aber Sie können mir glauben: Wer die andere Seite kennt, der weiß, dass die Propaganda auf beiden Seiten ganz ordentlich trommelt“.

Trotz starker ökonomischer und ökologischer Argumente kommt der Binnenschifftransport in Österreich nicht so recht vom Fleck – auch wenn Unternehmen wie via donau hart daran arbeiten.

Die aktuelle Krise ist nun ein Rückschlag: Während die Gesamtimporte nach Österreich über die Donau im ersten Halbjahr 2014 relativ stabil blieben, brachen die Importe aus der Ukraine dramatisch ein. Laut Wirtschaftskammer wurden im ersten Halbjahr 2013 noch fast elf Prozent aller per Binnenschiff importierten Güter in einem ukrainischen Hafen geladen.

Im Vergleich dazu gin- gen von Jänner bis Juni 2014 die ukrainischen Importe über die Donau um 68 Prozent zurück. Im zweiten Quartal betrugen die Tonnagen-Rückgänge sogar 76,5 Prozent. Noch schlimmer sieht es beim – nach Tonnage deutlich geringeren – Export in die Ukraine aus: Von Jänner bis Juni 2013 verließen rund 12.000 Tonnen Fracht die Donauhäfen in Richtung Ukraine. Im ersten Halbjahr 2014 war es keine einzige Tonne.

Sie dienen dem Lkw-Transit und vereinfachen die Zollformalitäten massiv: Carnet-T.I.R.-Dokumente regeln den Straßen-Warenverkehr zwischen Staaten, die nicht dem gemeinschaftlichen Versandverfahren gVV unterliegen (wie etwa die Russische Föderation, die Ukraine oder die Türkei). Unter Carnet-T.I.R. werden Zollverfahren nur an der Versandstelle und am Bestimmungsort durchgeführt. Die Ware passiert die dazwischen liegenden Grenzen in verplombten Behältern oder Fahrzeugen.

Im November 2013 kündigte die russische Zollbehörde an, die Kooperation einzuschränken bzw. für unter Carnet-T.I.R. laufende Transporte zusätzliche finanzielle Garantien zu verlangen – unbeeindruckt vom Urteil des Obersten Schiedsgerichts der Russischen Föderation, wonach die Hinterlegung zusätzlicher Sicherheiten illegal sei.

Im Dezember 2013 kündigte die russische Zollbehörde schließlich den landesweiten Ausstieg aus dem Carnet-T.I.R-Verfahren an.

Dies wiederum erklärte das Oberste Wirtschaftsgericht der Russischen Föderation für rechtswidrig. Verhandlungen zwischen der International Road Transport Union IRU und russischen Behördenvertretern führten zu einer befristeten Verlängerung des Carnet-T.I.R.-Abkommens bis Ende November 2014.

Nachdem zahlreiche Vermittlungsversuche fehlgeschlagen waren, empfahl die EU-Kommission im September 2014 eine Aufkündigung des Abkommens mit Russland. Seit Oktober verlangen die Zollbehörden der Ukraine zusätzliche nationale Zollgarantien von russischen Transporteuren, die Carnet-T.I.R. verwenden. Eine Lösung des Konflikts ist derzeit nicht in Sicht.