Voestalpine-CEO Wolfgang Eder : "Müssen uns in Europa wohl von etwa zwei Dritteln der Kapazitäten verabschieden"

Das prognostiziert Eder in einem interview im deutschen "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe). "Das sind Commodities, da werden wir nicht mehr konkurrenzfähig sein." Der Rest seien anspruchsvolle Spezialprodukte, "auf die müssen wir uns konzentrieren" und dabei die Wertschöpfungskette in Richtung Service und Wartung ergänzen. Derzeit verdienten die europäischen Stahlkonzerne nicht einmal mehr die Kapitalkosten.

"Weg von den Massenstählen"

Europas Stahlindustrie falle im Technologiewettbewerb zurück, warnt Eder. Die Führung verlagere sich in Richtung Asien nach Japan, Südkorea und auch China. "Deshalb müssen wir das Problem der Überkapazitäten lösen, um wieder auskömmliche Preise zu erzielen. Und wir müssen weg von der Produktion von Massenstählen, weil deren Erzeugung in anderen Regionen deutlich kostengünstiger ist."

Eder teilt die Meinung, dass viele Stahlmanager die Neuausrichtung jahrelang verschlafen haben: "Die Branche ist konservativ und verändert sich zu langsam. Viele hängen noch an den Hochöfen und der klassischen Stahlerzeugung. Es wird immer noch zu sehr in Millionen Tonnen und zu wenig ans Ergebnis gedacht." Es zähle nicht Größe und Menge, nur die Profitabilität, unterstreicht der österreichische Stahlmanager. "Die kann ich nur mit Spezialisierung erreichen." Darin liege der eigentliche Wert des Stahls: "in anspruchsvollen Produkten wie Flugzeugturbinen, Raketenteilen, High-Tech-Autos oder Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken."

"Die wahrscheinlich anspruchsvollste Stahlbasis in Europa"

"Wenn ich High Tech in Europa produzieren will, kann ich nicht einfache Stähle aus China oder Indien beziehen", fügt der Stahlverbandspräsident auf die Frage hinzu, ob es überhaupt noch eine eigene Stahlindustrie in Europa braucht. "Die Voestalpine würde es in der heutigen Form wohl gar nicht mehr geben, hätten wir nicht die wahrscheinlich anspruchsvollste Stahlbasis in Europa." Das setze permanent massive Investitionen voraus, in neue Technologien und in Forschung und Entwicklung.

Steinzeitliche Ideen

Dass in Italien über eine Verstaatlichung von Stahlwerken diskutiert wird, um Schließungen zu verhindern, ist in den Augen von Eder "Steinzeit im wirtschaftlichen Verständnis. Wenn wir uns davon nicht lösen, dann wird das Überleben der Stahlindustrie in Europa mit einem riesigen Fragezeichen versehen." Die Länder würden sich die damit verbundenen Subventionen nicht leisten können. Standorte um jeden Preis zu halten habe schon in den achtziger Jahren nicht funktioniert. "Warum ist es möglich, Autofabriken nach sechs Monaten Diskussion mit Gewerkschaften und Politik zu schließen, wo es um 12.000 Beschäftigte geht, aber Stahl-Standorte mit 2.000 oder 3.000 Mitarbeitern auch nach jahrelanger Diskussion nicht?" Für Eder ist das schwer nachvollziehbar.

Keine neuen Hochöfen

Die Voestalpine selbst investiert mittlerweile massiv in den USA und China. China, Indien oder Brasilien sollten zumindest in den nächsten zehn Jahren nachhaltiges Wachstum zeigen. Eder weist in dem "Handelsblatt"-Interview Vorstellungen zurück, wonach die Voestalpine vorhabe, in China in eine Stahlproduktion zu investieren. "Stahl steht bei uns nur noch für 30 Prozent unseres Portfolios. Wir bauen in China Autoteilewerke, Spezialprofilwerke und vielleicht auch ein Edelstahlwerk." Doch das koste eben nicht Hunderte Millionen oder gar Milliarden Euro.

"Wir erzeugen dort dann Spezialprodukte vor allem für die Auto- und Flugzeugbranche. Wir werden sicher nirgendwo mehr in einen Hochofen investieren." Die Voestalpine verwende in der Produktanwendung nicht nur Stahl, sondern sehr viel Aluminium, Kunststoff oder Titan. Damit entwickle sich das Unternehmen immer mehr zu einem Multi-Werkstoff-Konzern.

Stahl ist bei der Voestalpine der einzige Werkstoff, den sie selber herstellt. "Wir werden ihn kapazitätsmäßig nicht mehr ausbauen, aber versuchen, unsere bisherige Stahlproduktion zu erhalten", bekräftigte Eder. "Ich hoffe, dass das auch weiterhin in Europa möglich sein wird, wenn wir in den nächsten Jahren die Grundsatzentscheidung dafür treffen müssen." (APA)