Staatsholding : ÖIAG-Reform: Ringelspiel mit Anfassen

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Es war später Nachmittag, als Aufsichtsratspräsident Siegfried Wolf ins Foyer der ÖIAG-Zentrale in der Dresdner Straße trat und den wartenden Journalisten den vorzeitigen Abgang von Rudolf Kemler verkündete. Der Vertrag jenes Mannes, der sich einst zum Reformer im Vorstand der Staatsholding berufen fühlte, endet mit 31. Oktober 2015 - und damit um zwei Jahre früher, als er hätte laufen können.

"Wenn die Regierung beschließt, die ÖIAG in jetziger Form oder Struktur zu ändern oder aufzulösen, wird er zu einem noch früheren Zeitpunkt aufgelöst" sagt Wolf. Was zu diesem Zeitpunkt nur Wolf selbst wusste: Das Personalkarussel in der Staatsholding ÖIAG hat sich längst weiter gedreht: In einer schriftlichen Mitteilung, datiert mit dem Vortag, den 21. Oktober, legt Andritz-Chef Wolfgang Leitner sein Aufsichtsratsmandat in der ÖIAG zurück. Er war erst seit Juni im Amt.

Staatsholding in der Kritik

Die offizielle Begründung Leitners lautet „Zeitökonomie“, der wahre Hintergrund dürfte aber die Entwicklung in der Staatsholding von zuletzt sein. Schon der Zeitstempel des Dokuments, datiert am Tag vor der Sitzung zur Demontage von Kemler, spricht Bände. Die Sitzung dürfte sich Leitner offenbar nicht mehr antun haben wollen. Die Staatsholding selbst war längst vor der Verkürzung des Alleinvorstandsmandats von Kemler stark in die Kritik geraten: Der Einstieg von America Movil in die Telekom Austria, deren Staatsanteile die ÖIAG verwaltet, wird kritisch gesehen und die Vorgänge rund um die Vertragsverlängerung von OMV-Chef Gerhard Roiss (die ÖIAG hält 31,5 Prozent am Unternehmen) und dessen Absetzung werden ebenfalls Kemler angelastet.

An Roiss gescheitert

Rudolf Kemler, der ehemalige Österreich-Chef von HP ist als Vorstand der Staatsholding ÖIAG, an seiner zu geringen Wirkkraft gescheitert. Er konnte sich als Aufsichtsratschef von OMV, Telekom und – derzeit weniger krisenhaft – Post zu wenig durchsetzen. Im Gegenteil: OMV-General Gerhard Roiss ließ seinen AR-Präsidenten richtiggehend auflaufen.

Alle rund um OMV und ÖIAG wussten bei Roiss Vertragsverlängerung letzten Sommer, dass er ist wie er ist. Dass Kemler damals, wie es heißt, die Verlängerung gegenüber der Roiss-skeptischen IPIC durchdrückte, hat er spätestens diesen Herbst bereut. Der sendungsbewusste OMV-Chef ignorierte zunehmend die wachsende Zahl an Vermittlungsgesprächen und Interventionen aus der Dresdner-Straße. Selbst die Drohungen der letzten Wochen fruchteten nicht. Die Zeit des Zuredens wirkte da auf die Öffentlichkeit als Zaudern.

Zerfranster Vorstand

Wie handlungsunfähig der OMV-Vorstand geworden war, zeigt sich anlässlich der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung, bei der eigentlich über die künftige Gasstrategie abgestimmt werden sollte. Letztendlich kam dabei nur das beschleunigte Vertragsende von Roiss heraus und der Strategiebeschluss wurde vertagt. Die teilnehmenden OMV-Vorstände waren sich vor dem Kotrollgremium nur in einem einig: Dass das als Debattengrundlage herhaltende McKinsey-Papier Unsinn sei. Abgestimmte Alternativvorschläge fehlten zur Gänze. Es kam sogar noch ärger: Jeder Vorstand zerfranste die Ideen des anderen. Der Vorwurf gilt, dass Kemler nicht imstande war, die Vorstände zur Raison zu rufen.

Reformchancen gering

Kemlers für 31. Oktober 2015 beschlossener Abgang wird sich beschleunigen, könnte sich die Koalition früher auf eine ÖIAG-Reform einigt. Da Chancen dafür sind gering. Denn zumindest eine politische Partei hat großes Interesse an den bestehenden Verhältnissen. Wie Industriemagazin erfahren hat bringt Siegfried Wolf– wie auch sein Vorgänger Peter Mitterbauer – jede Personalbesetzung in der ÖIAG zuvor im Finanzministerium zur Sprache.

Das zuletzt kritisierte mangelnde Durchgriffsrecht der Eigentümer im sich selbst erneuernden Aufsichtsrat existiert zumindest für jene Partei, die den Finanzminister stellt, nicht. Denn erst, wenn im Finanzministerium das Plazet gegeben wird, kommen Personalentscheidungen zur Abstimmung im Aufsichtsrat, heißt es aus ÖIAG-Aufsichtsratskreisen. Zumindest in den vergangenen Jahren wurde kein Aufsichtrat gewählt, der nicht vorher von den schwarzen Finanzministern freigegeben war – ein Procedere, das auch von anderen ÖIAG-Aufsichtsratsmitgliedern bestätigt wird.

Scheinheiligkeit

Der Aufsichtsrat und der Vorstand der ÖIAG sind also durchaus mit Einfluß des Finanzminisertiums zusammengesetzt worden. Mitarbeiter des auf SPÖ-Seite zuständigen Sozialministeriums bestreiten, in diesen Kontrollprozess eingebunden zu sein. Vor diesem Hintergrund gewinnt auch der Rücktritt von Brigitte Ederer als ÖIAG-Aufsichtsrätin im September eine neue Dimension: Sie beklagte, dass der Eigentümer der ÖIAG, die Republik, zu wenig Einfluß auf die Gebahrung hätte. Vielleicht ist es auch die Scheinheiligkeit der zuständigen Politiker, die stets betonten, keinen Einfluss auf die ÖIAG zu haben, die die Aufsichtsräte Konsequenten ziehen lässt.

Ein wenig Scheinheiligkeit war an jenem Donnerstag Nachmittag, an dem der Vorzeitige Abgang von ÖIAG-Vorstandschhef Kemler verkündet wurde, auch von Kemler selbst zu besichtigen. Es gehe bei der Staatsholding in eine Richtung, in der die Politik wieder eine größere Rolle spiele - "und das ist nicht das Umfeld in dem ich mich betätigen wollte. Das war der Grund, die Verlängerungsoption nicht zu ziehen" sagte Kemler nach der Pressekonferenz von Wolf. Wenns nur so einfach wäre.