Kommunal-Ranking : Österreichs erfolgreichste Gemeinden

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Bürgermeister Anton Scherbinek und seine Mitarbeiter sind stolz: Einen Wirtschaftshof, der so futuristisch aussieht, haben die wenigsten Gemeinden. Dass bei der offiziellen Eröffnung an einem milden Oktober-Samstag der Stolz seinen Ausdruck in vielen, vielen langen Reden findet, ist ein unvermeidlicher Bestandteil von Kommunalpolitik.

Wenn es einmal etwas zu verteilen gibt, einzuweihen, dem Bürger zu übergeben, da werden nicht nur Ortschefs, sondern auch Gemeinderäte und Sekretäre redselig. Wer sollte es ihnen verübeln. Mit rund 4.000 Einwohnern ist Unterpremstätten eine der größeren Kommunen, die im INDUSTRIEMAGAZIN-Kommunalranking vorne zu finden sind. Einen Überschuss von rund 600 Euro pro Bürger hat Bürgermeister Scherbinek im Haushaltsjahr 2013 verbucht. Und das, obwohl man den neuen Wirtschaftshof, Kostenpunkt: vier Millionen, weitgehend ohne Fremdfinanzierung erbaut hat.

"Wirtschaftlich gut aufgestellte Gemeinde"

„Wir sind in der glücklichen Lage, eine wirtschaftlich gut aufgestellte Gemeinde zu sein. Wir können es uns leisten, auch größere Projekte weitgehend selbständig abzuwickeln. Das wirkt sich auf den Haushalt natürlich positiv aus“, sagt der Ortschef. Es ist der große Wunsch aller Bürgermeister: Investieren zu können, ohne sich dafür verschulden zu müssen.

Dieses Idealbild erreichen Österreichs Gemeinden in ihrer Summe allerdings nicht. Bei 11,4 Milliarden Euro lagen 2013 die Gesamtschulden der österreichischen Kommunen ohne Wien. „Das ist etwas zu hoch, zumal hier noch Schulden von sieben bis zehn Milliarden in ausgegliederten Einheiten hinzukommen. Aber der Schuldenstand ist nur eine Kenngröße unter vielen“, sagt Johann Bröthaler, Leiter des Fachbereichs Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik an der TU Wien und einer von Österreichs besten Experten für Gemeindefinanzen.

Ebenso müsse man nämlich auch die Frage beachten, wofür die Schulden aufgenommen wurden und wie wahrscheinlich es ist, dass eine Gemeinde sie zurückzahlen kann, ohne dabei ins Trudeln zu geraten. Das Problem dabei: „In der Form, wie Gemeindefinanzen derzeit dargestellt werden, ist es für einen Normalbürger fast unmöglich, das zu beurteilen. Die Gemeinden müssten daher verpflichtet werden, ihre Finanzen nicht nur als Rohdaten, sondern in einer lesbaren, aufbereiteten Art zu veröffentlichen.“

Namlos: Nicht mehr ausgeben, als man hat

Die Berge gleißen, der Wind streicht sanft über die Bäume, die Kirchenglocken läuten. Und inmitten dieser Idylle erklärt Walter Zobl, was einen guten von einem schlechten Bürgermeister unterscheidet: „I plan halt nix, was i nit zahlen kann. So einfach ischt des.“ Zobelix nennt man Walter Zobel, den Bürgermeister der 85-Seelen-Gemeinde im Tiroler Lechtal. Weniger wegen seiner Leibesfülle als wegen eines Wutausbruchs, den er vor zwei Jahren on air auf Ö3 zum Besten gab.

Als ihn Ö3-Spaßmacher Gernot Kulis anrief und sich als Ministerialbeamter ausgab, der der Gemeinde Namlos auf EU-Geheiß einen neuen Namen geben muss, tobte Zobl gezählte zwei Minuten und 31 Sekunden ins Mikrofon. Seine Fans haben den Wutanfall inzwischen zu einem Rap vertont. Doch Zobl ist nicht nur einer, der sich, wenn es um sein Dorf geht, kein Blatt vor den Mund nimmt. Er ist auch einer, der aufs Geld schaut. Mit einem Überschuss von 1.652 Euro pro Gemeindeeinwohner hat Zobl 2013 einen Jahresabschluss vorgelegt, der ihn auf Platz zwei des INDUSTRIEMAGAZIN-Kommunalrankings bringt.

Guter Rechner

Dass der streitbare Tiroler ein guter Rechner ist, belegen auch andere Kennzahlen. Dem positiven Pro-Kopf-Saldo von 1.652 Euro stehen Pro-Kopf-Investitionen in der Höhe von 1.690 Euro gegenüber, der Schuldenstand pro Kopf beträgt 591 Euro.

Damit steht Namlos fraglos gut da. Denn, so betonen Experten für Gemeindefinanzen: Ist der Haushaltssaldo schon ein erster Anhaltspunkt, so bietet ein größeres Set an Kennzahlen einen noch besseren Überblick. Wenn eine Gemeinde nicht nur spart, sondern auch investiert und nebenher einen überschaubaren Schuldenstand behält, dann lässt das darauf schließen, dass man einen guten Mittelweg zwischen Sparsamkeit und Aktivität gewählt hat.

„Am Ende kommt es aber auf die Qualität der Leistung an, die eine Kommune ihren Bürgern bietet“, schränkt Hans Pitlik, Makroökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, ein. Und die lasse sich nur bedingt in Kennzahlen gießen. Bei einem Unternehmen gebe es zum Beispiel den Umsatz als eine Kennzahl, die Auskunft darüber gibt, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung angenommen wird. Bei Gemeinden ist es die Bürgerzufriedenheit. Nur dass man die nicht so leicht messen kann.

Sie bringen Grund- und Kommunalsteuern. Und den Bürgermeister seinem Wunsch nach Unabhängigkeit ein Stück näher. Denn mit 1.227 Euro Überschuss im Haushalt 2013 liegt Lavant zwar auf Platz vier des INDUSTRIEMAGAZIN-Kommunalrankings, zugleich ist hier jeder Gemeindebürger aber mit 5.772 Euro verschuldet, statistisch betrachtet jedenfalls.

Die hohe Schuldenquote erklärt Kuenz damit, dass Gemeinden, nicht immer frei entscheiden können, ob sie Geld ausgeben oder nicht: „Wenn ein Investor kommt und sich ansiedeln will, kann ich ihm nicht sagen: Komm in zehn Jahren wieder, da kann ich dir dann die Infrastruktur zur Verfügung stellen, weil im Moment bin ich pleite.“

Diesen beschränkten Spielraum ortet auch Rudolf Dujmovits vom Institut für Finanzwissenschaft der Uni Graz als eine der größten Schwierigkeiten, denen Kommunen im Vergleich mit Unternehmen ausgesetzt sind. Auf der einen Seite hängen Kommunen von Einnahmen ab, die Konjunkturschwankungen unterworfen sind, wie die Kommunalsteuer oder die Ertragsanteile der Länder und des Bundes, andererseits müssen sie ihre Leistungen weitgehend unabhängig von der Größe dieser Einnahmen erbringen: „Ein Unternehmen kann in wirtschaftlich schweren Zeiten leichter Kosten einsparen, im schlimmsten Fall kann es Mitarbeiter entlassen.

Eine Gemeinde kann ihre Bürger nicht entlassen. Sie kann vielleicht die Straßenböschung nur mehr einmal im Jahr mähen, aber schon die Schneeräumung muss passieren, egal wie die Finanzlage ist. Auch der Kindergarten kann nicht zugesperrt werden, um Personalkosten zu sparen, und die Heizung in der Schule kann auch nicht abgedreht werden.“

Vordernberg: Rettung durch Schubhaft

Walter Hubner versucht diesen Unwägbarkeiten zu entkommen. Deshalb hat sich der Bürgermeister von Vordernberg vor Jahren für das umstrittene Schubhaftzentrum stark gemacht. Heuer im Frühjahr wurde es eröffnet. Über die Bautätigkeit und die damit verbundene Bauabgabe wirkte sich das Projekt allerdings schon 2013 auf das Budget aus und führte letztlich zu einem Überschuss von 980 Euro pro Einwohner.

„Wir haben aber auch eine größere Waldfläche verkauft“, erklärt Hubner. Schulden hat die Gemeinde dennoch, 3.185 Euro pro Kopf. Verantwortlich dafür sind die üblichen Verdächtigen: Wie bei vielen österreichischen Kleingemeinden ergibt sich auch in Vordernberg ein Großteil der Schulden aus der Sanierung der öffentlichen Kanalisation.

Ebenfalls weit vorne bei der Hitparade der Schuldenverursacher liegt die Wasserversorgung. Wie beim Erstplatzierten unseres Rankings, der Vorarlberger Gemeinde Schröcken. Obwohl Schröcken das Jahr 2013 wegen einiger nicht getätigter Investitionen mit einem Pro-Kopf-Überschuss von 1909 Euro abschloss, muss es zugleich mit der gewaltigen Verschuldung von 25.332 Euro pro Kopf kämpfen, der auf die Einwohnerzahl umgelegt zweitgrößten in Österreich.

„Wir sind eine kleine Gemeinde mit einem sehr weitläufigen Kanal- und Wassernetz, da kostet die Absicherung der Wasserversorgung und -entsorgung sehr viel. Zugleich müssen wir als Fremdenverkehrsgemeinde ganz besonders darauf achten“, erklärt Bürgermeister Herbert Schwarzmann die Lage.

Wobei Schröcken die Kosten der Wasserversorgung immerhin im Haushalt ausweist. Vor allem in großen Städten besteht die gängige Praxis hingegen darin, große Investitionsbrocken und Haftungen in ausge- gliederte Gesellschaften zu verlagern. Damit verschwinden sie aus den Gemeindefinanzen und belasten diese, zumindest auf dem Papier, nicht. Der Streit darüber, inwieweit das rechtlich zulässig ist, flammt immer wieder auf. „Auslagerungen führen dazu, dass Gemeinden, die ehrlich bleiben und ihre gesamten Haftungen und Schulden ausweisen, in der Öffentlichkeit schlechter dastehen. Dabei machen sie eigentlich etwas völlig Richtiges: Sie halten ihre Finanzen transparent und trennen nicht willkürlich zwischen öffentlichen und ausgelagerten Schulden“, sagt der Grazer Universitätsprofessor für Volkswirtschaft Gerhard Wohlfahrt.

Wie die meisten seiner Kollegen ist übrigens auch Wohlfahrt davon überzeugt, dass ein ausgeglichenes laufendes Budget oder ein leichter Überschuss zwar gut sind, aber nicht der einzige Punkt, an dem man eine Gemeinde messen sollte. „Eine Stadt hat auch wichtige Infrastrukturaufga- ben zu erfüllen und die können auch teilweise über Kredite finanziert werden. Ohne Investitionen in Infrastruk- tur werden zukünftigen Bewohnern Leistungen vorenthalten.“

„Die Haushalte oben, egal ob Hotels oder privat, beteiligen sich an den Räumungskosten, aber das ist bei Weitem nicht kostendeckend“, erzählt der Gemeindereferent Jörg Rüscher. „Andererseits ist Infrastruktur für unser Gebiet absolut unverzichtbar.“ Auch den 2013 erwirtschafteten Überschuss von 1083 Euro pro Gemeindeeinwohner werde man heuer ausgeben.

Denn auch in Donnersbach steht die Sanierung der Kanal- und Abwasserversorgung an. Und auch hier hat man ein weitläufiges Netz mit wenigen Anschlüssen, das dementsprechend teuer ist. „Aber genauso wie die Sanierung des Kindergartens und der Volksschule sind das Aufgaben, die eine Gemeinde einfach erfüllen muss“, sagt Rüscher.

Denn letztlich wirtschaftet eine Gemeinde erst dann gut, wenn sie das bestmögliche Service für ihre Bürger schafft, ohne sich dabei über Maß zu verschulden. „Ein Problem besteht allerdings darin, dass Bürgermeister politisch erpressbar sind“, sagt der Finanzwissenschaftler Dujmovits.

„Unter dem Druck von Wahlen treffen sie auch Entscheidungen, die volkswirtschaftlich gesehen nicht weitsichtig sind. Deshalb wäre es wohl sinnvoll, Entscheidungen wie etwa über Flächenwidmungen auf eine höhere Ebene zu verlagern. Damit wäre die Gefahr nicht kostenminierender, primär wahltaktisch motivierter Entscheidungen geringer.“

Wie viele Bürgermeister österreichischer Gemeinden bemüht sich auch Ludwig Muxel, Ortschef von Lech, um eine Balance zwischen Sparsamkeit, Widerstand gegen Druck von außen und ausreichenden Investitionen in die Zukunft: „Wir haben in den letzten fünf Jahren immer Überschüsse erzielt“, erklärt er. „Letztes Jahr waren es 707 Euro pro Kopf. Zugleich haben wir immer investiert.“ Und gerade das, meint Muxel, sei auch die große Herausforderung für einen Bürgermeister: Budgets zu unterschreiten und dennoch nicht immobil werden, sondern den Ort für die Zukunft wei- terentwickeln. Das Industriemagazin-Kommunalranking zeigt, dass einige Gemeinden dabei durchaus erfolgreich sind.