Coverstory : Österreichs letztes Amt

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Friedrich Rödler, am Ende seiner zweiten Amtsperiode angekommen, ist Chef von beiden Einrichtungen: Dem Patentamt, der Zentralbehörde für gewerblichen Rechtsschutz und der teilrechtsfähigen Patentsamtstochter, der Serv.ip. Eine Struktur, die Kritik vom Rechnungshof einstecken muss: Das Patentamt, im Selbstverständnis eigentlich Dienstleister der heimischen Innovatoren, betreibt laut aktuellem Rechnungshofbericht damit ein Unternehmen, das Aufgaben erfüllt, die eigentlich ureigenste Patentamtpflicht wären: Gutachten schreiben, Markenrechte recherchieren und Anmelder beraten. Die hoheitlichen Servicefunktionen würden, so der Rechnungshof, vernachlässigt. Doch daran ist der Gesetzgeber nicht ganz unschuldig: Das Patentamt darf über die Expansion in privatwirtschaftliche Bereiche Geld verdienen. Doch selbst der Patentamtschef räumt ein, dass die Struktur, die er geerbt hat, nicht unfehlbar ist. Denn sie bietet weder dem Management noch den Mitarbeitern Anreiz, die hoheitlichen Servicedienstleistungen zu forcieren.

Rödler ist also sowohl Patentamtschef, als auch zugleich Geschäftsführer der Serv.ip. Zu seinem finanziellen Schaden ist die Konstruktion freilich nicht. Denn als Serv.ip-Geschäftsführer steht ihm ein jährliches Gehalt von 65 Prozent des Jahresbezuges eines Bundesbeamten, sowie eine Prämie von 0,5 Prozent des Serv.ip-Umsatzes zu. An dem Versuch, dem Patentamtspräsidenten die Zusatzzahlung zu streichen, bissen sich die Minister Bures und Stöger die Zähne aus. Zuletzt bemühte Rödler in der Causa gar den Verwaltungsgerichtshof.

Die Argumentation von Bures und Stöger: Nach Paragraf 58, Absatz 3 des Patentgesetzes „obliegt dem Präsidenten die Leitung des Patentamtes; zudem ist er Leiter (Geschäftsführer) des teilrechtsfähigen Bereiches“. Daraus könne man also durchaus schlussfolgern, dass die Führung des teilrechtsfähigen Bereichs spric der Serv.ip, nicht noch einmal entlohnt wird. Der Verwaltungsgerichtshof gab jedoch aufgrund einer Formalie Rödler Recht: Er musste keine den Bereich betreffenden Weisungen befolgen. Ob der Steuerzahler dieser Logik folgend erwarten kann, dass der Patentamtspräsident damit 165 Prozent der Arbeitsleistung eines Bundesbeamten erfülle? „Die 40-Stunden-Woche ist eine Denke aus der Ministerialbürokratie, die für eine privatwirtschaftlich denkende Führungskraft nicht anwendbar ist“ sagt dazu Rödler im Interview. An der absoluten Höhe des Gehaltes würde sich für eine Spitzenführungskraft in der Privatwirtschaft niemand stoßen. Dass die Doppelbezüge Rödlers jedoch Nachricht sind, liegt daran, dass sie die Doppelstrukturen widerspiegeln, die das Patentamt durchziehen. „Es ist immer problematisch, wenn ein Amt versucht, parallel zur hoheitlichen Tätigkeit Beratungsdienstleistungen zu privatwirtschaftlichen Konditionen anzubieten“, sagt dazu ein Patentanwalt.

Parallelstruktur

Wie Rödler verrichten viele Mitarbeiter auch für die Patentamtstochter Serv.ip gut dotierte Tätigkeiten. Unvereinbarkeit sieht im Patentamt keiner. Nicht weniger als 39 Mitarbeiter des Patentamts sind auch für die Serv.ip tätig. Sie üben dabei nebenberuflich über weite Strecken die gleiche Tätigkeit aus, die sie auch als Prüfer des Patentamts auszuüben haben. Sie erstellen zum Beispiel Gutachten über die Patentfähigkeit von Erfindungen. Sie sind gut ausgebildet, mitunter nur wenige Stunden im hoheitlichen Bereich beschäftigt und bestens vernetzt. Allerdings tun sie das im Rahmen der Serv.ip deutlich schneller. Über das Patentamt bestellt, dauert ein Gutachten schon mal drei Monate und kostet einige hundert Euro. Über die Serv.ip wird das gleiche Gutachten vom gleichen Prüfer innerhalb weniger Werktage erstellt. Dass die Mitarbeiter des Patentamtes im Dienste der Serv.ip wesentlich mehr Speed entwickeln als im Auftrag ihres eigentlichen Arbeitgebers, liegt möglicherweise daran, dass die Tätigkeit im Rahmen der Serv.ip einen durchaus lukrativen Zusatzverdienst erlaubt: Je nach Einsatz zwischen 2.000 und 75.000 Euro brutto jährlich, wie der Rechnungshof recherchierte.

Nach heftiger Kritik an der intransparenten Zeitabrechnung von Mitarbeitern zwischen den beiden Gesellschaften wurde hier zwar nach Abgaben aus dem Patentamt nachgebessert. Doch das strukturelle Problem, dass mit der Konstruktion sowohl Mitarbeitern als auch Führung ausschließlich Anreize geboten werden, die (identen) privatwirtschaftlich angebotenen Dienstleistungen zu forcieren, bleibt. Klar ist: Die Geschäftsführung um Rödler verdient qua Umsatzprämie an der Serv.ip an jedem zusätzlich verdienten Euro aus dem teil- rechtsfähigen Bereich. Und den Mitarbeitern kann – angesichts der Beamtengehaltsstruktur – für idente Tätigkeiten im Patentamt keine Entlohnung wie in der Serv.ip geboten werden. „Sagen Sie mir einen finanziellen Anreiz, den ich im Rahmen des Gehaltsgesetzes öffentlicher Bediensteter geben kann“, sagt Friedrich Rödler im Interview. Im Jahrestopf „Belohnungen finanzieller Natur“ des Patentamtes steckten für das Vorjahr gerade mal 20.000 Euro – für rund 160 Mitarbeiter.

Das Patentamt expandiert in lukrative privatwirtschaftliche Bereiche – und das so erfolgreich, dass selbst die Konkurrenz unruhig wird. Während Kritiker – darunter der Rechnungshof – monieren, dass der Bereich hoheitlicher Dienstleistungen, der mittlerweile mit dem EU-Patent auch international Konkurrenz bekommt, vernachlässigt wird, expandiert so erfolgreich in Wachstumsbereiche der Privatwirtschaft: Im Jahr 2010 erwirtschaftete die auf Recherchedienstleistungen und Gutachten spezialisierte Serv.ip einen Umsatz von rund vier Millionen Euro. 2013 waren es bereits fünf Millionen Euro. Tendenz weiter steigend. Der Erfolg ist Mitbewerbern unheimlich: Etwa Patentanwälten, die ebenfalls Recherchedienste anbieten. Und sie monieren, dass der Wettbewerb nicht ganz fair ist. Schon alleine deshalb, weil im Patentamt nicht nur die besten Köpfe sitzen, sondern Serv.ip als ausgelagerte Tochter auch auf die exklusiven Datenbanken des Patentamts zugreifen kann.

Dass die Teilzeitbeamten ihre Dienstleistungen preislich unterbieten, macht Patentanwaltskanzleien nicht zufriedener. Gleichzeitig treibt die Unzufriedenheit mit der hoheitlichen Arbeit in der Dresdner Straße viele Unternehmen und Institutionen mit der formalen Patentanmeldung ins Ausland. Im Schnitt, so heißt es, dauere eine Anmeldung beim Österreichischen Patentamt rund zehn Monate. An der TU Wien reichte zuletzt ein ganzes Institut am Patentamt aus „Qualitätsgründen“ in München ein. Und bis zur Genehmigung einer Fristverlängerung zur inhaltlichen Beantwortung eines Prüfbescheids vergehen üblicherweise mehrere Wochen; Nichtigkeitsverfahren, die erstinstanzlich in den Aufgabenbereich des Patentamts fallen, können schon mal monatelang liegen.

Neue Kompetenzen

Rund 20 Millionen Euro hat die Republik Österreich 2013 für das Patentamt budgetiert, die Patentgebühren wurden – wie übrigens vom Rechnungshof angeregt – bis dato nicht dramatisch angehoben. Zusätzliches Geld soll es jetzt für die Einrichtung einer lokalen Kammer am Patentamt geben. Mit dieser Kammer können – sobald das einheitliche EU-Patent durchgewunken ist – Patentverletzungsklagen im Land und in der Landessprache geführt werden. Das Patentamt wird, wie im Patentgerichtsübereinkommen geregelt, zumindest die ersten sieben Jahre dafür nötiges Verwaltungspersonal stellen. Doch die Freude darüber, dass dem Patentamt weitere administrative Kompetenzen zugestanden werden, ist bei Patentanwälten enden wollend. Bisher sind die Zuständigkeiten für den IP-Schutz auf Infrastruktur-, Justiz- und Finanzministerium aufgeteilt. Wird das Wiener Patentamt also zur aufgewerteten Zentralbehörde, von der Friedrich Rödler schwärmt? In die Rolle des Patentverwerters dürfte das Amt jedenfalls nicht schlüpfen. Aus Sicht des Technologieministeriums sei die Patentverwertung „keine adäquate Aufgabe“ für das Österreichische Patentamt. Einst trat Rödler mit der Überzeugung an, aus dem angestaubten Amt ein modernes zu machen. „Wir wollen in allen Bereichen, im Schutzbereich genauso wie im Dienstleistungsbereich Serv.ip, noch besser und schneller werden“, sagte er zum Amtsantritt.