Russland-Sanktionen : Bremst der Ukraine-Konflikt den europäischen Automobilmarkt?

Die Ukraine-Krise würde die Automobilindustrie noch zu spüren bekommen, erklärte der deutsche Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vergangene Woche. Als hätte er geahnt, welche Pläne Russland noch schmiedet. Dudenhöffer erwartet wegen des politischen Konflikts Wachstumsdämpfer in mehreren Euro-Staaten wie Italien und Frankreich und einen Rückgang der weltweiten Pkw-Nachfrage. Diese dürfte heuer nur um 3 Prozent steigen, so Dudenhöffer.

In einem Gespräch mit dem INDUSTRIEMAGAZIN äußerte sich Dudenhöffer zu den wirtschaftlichen Gefahren des Konflikts: Je länger dieser andauere, desto eher würde die gesamte Wirtschaft Westeuropas aus dem Gleichgewicht schlittern. Im ersten Halbjahr sei der weltweite Pkw-Absatz mit 36,6 Mio. Stück - ein Zuwachs von 5 Prozent im Jahresabstand - noch gut gewesen. Mit der Ukraine-Krise sowie den schwierigeren Bedingungen in Südamerika (Stichwort Argentinien-Staatsbankrott) seien "neue, nicht vorhersehbare Risiken für die Autoindustrie entstanden", so Dudenhöffer in einer Aussendung.

MAN verbucht Rückgang

Auch Österreichs Automobilzulieferer MAN Truck & Bus bestätigt einen Rückgang im Nutzfahrzeugmarkt um etwa 25 Prozent. Russland sei nach wie vor ein "sehr wichtiger Markt für MAN", sagt Unternehmenssprecher Sacha Klingner. 2013 erwirtschaftete die MAN Gruppe in Russland 726 Millionen Euro Umsatz, in der Ukraine 30 Millionen Euro. Das sind zusammen 4,8 % des Unternehmensumsatzes. "Insgesamt wird die Marktentwicklung tatsächlich wesentlich von den weiteren Entwicklungen der Krim-Krise und deren Auswirkungen abhängen. Dies beobachten wir selbstverständlich genau", erklärt Klingner.

Die BMW Group strebt hingegen einen deutlichen Anstieg bei den Auslieferungen an und will eine neue Bestmarke von über zwei Millionen Fahrzeugen beim Absatz erreichen.

Russland galt als Hoffnungsträger

Jetzt spitzt sich der Konflikt weiter zu: Russland droht mit einem Import-Stopp für westliche Autos. Dieser Import-Stopp würde vor allem Frankreich wegen seiner Verflechtungen zu russischen Herstellern treffen. Österreichische Zulieferer seinen nicht betroffen.

Der russische Pkw-Markt ist fast so groß wie der deutsche und galt lange Zeit als Hoffnungsträger in Europa, wo Länder mit kräftigen Zuwächsen rar sind. Wegen der Schwäche des Rubels und der Auswirkungen der Ukraine-Krise gingen die Verkaufszahlen jedoch zuletzt deutlich zurück.

Ausländische Autobauer haben seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts rund fünf Milliarden Dollar in den Aufbau lokaler Fertigungsstrukturen investiert. Die russische Regierung beschleunigte dies, indem sie die Importzölle für Autos nach oben schraubte und diejenigen für Teile senkte. Allein VW steckte zwischen 2006 und 2013 nach eigenen Angaben rund 1,3 Milliarden Euro in die lokale Produktion und in neue Modelle für Russland; bis 2018 sollen weitere 1,2 Milliarden dazukommen, vor allem für ein neues Motorenwerk in Kaluga, wo eine Autofabrik des Konzerns steht.

Die Auto-Importbeschränkungen kümmern die österreichischen Zulieferer wenig: "Die Einsparungen bei VW und anderen Herstellern treffen uns weit mehr", erklärt Dietmar Schäfer, Vorsitzender ARGE Automotive Zulieferindustrie. Sollte es jedoch zu einem Totalboykott kommen dann könnte das bei einzelnen kleineren Zulieferern mit Schwerpunkt in der Region durchaus zu Kurzarbeit kommen.

Genaue Zahlen wie schwer der Zuliefermarkt für österreichische Unternehmen ist, liegen nicht vor, Schäfer spricht in einer groben Schätzung von rund 100 Mio. Euro. Wobei die Lieferungen im Regelfall an westliche Hersteller mit Niederlassungen in Russland gehen. So hat etwa der austro-kanadische Konzern Magna Werke in Russland.

Teurere Zulieferer betroffen

Sollte das Riesenreich ausfallen gäbe es ja auch noch die Möglichkeit dieses Minus durch Umschichtungen auszugleichen. "Die Deutschen produzieren auf Teufel komm raus", so Schäfer. Allerdings würden deren Sparkurse auf die Preise drücken - was wiederum die eher höherpreisigeren Zulieferer in der Schweiz härter treffe als österreichische Lieferanten. Hier sei es vielleicht möglich den einen oder anderen Auftrag an Land zu ziehen.

Nach bisherigen Medienberichten will Russlands Staatschef Wladimir Putin westliche Automarken die in Russland produzieren von etwaigen Boykottmaßnahmen ausschließen. Ford, Volkswagen, Renault, Toyota und Hyundai haben Werke in Russland. "Die österreichischen Autozulieferer wären von diesen Importbeschränkungen nicht direkt betroffen, eben so wenig wie die deutschen Fahrzeugbauer. (...) Die Sanktionen wären nicht schön, aber tragbar", wird der deutsche "Autopapst" Ferdinand Dudenhöffer im "Industriemagazin" zitiert.

Siegfried Wolf als Joker

Österreich hat jedenfalls einen besonderen Trumpf im Poker mit Russland in der Hand - in Person von Siegfried Wolf, seit kurzem Aufsichtsratschef der Staatsholding ÖIAG. Wolf kennt Putin persönlich, er hat ihn bereits mehrmals gegen Kritik in Medien verteidigt. Der 56 Jahre alte gelernte Werkzeugmacher aus der Oststeiermark ist derzeit unter anderem Aufsichtsratschef bei Oleg Deripaskas Russian Machines. Wolf sitzt bis 2015 auch im Aufsichtsrat des österreichischen Bauriesen Strabag, an dem Deripaska Anteile hält.

VW hat schon einmal klargestellt, dass an den bisherigen Investitionsplänen in Russland festgehalten werde. Das wären dann Investitionen von 1,2 Mrd. Euro bis Ende 2018. Gleichzeitig hatte der Konzern bekannt gegeben, die Kosten global um fünf Milliarden Euro im Jahr senken zu wollen. Dabei verdienen die deutschen Autoriesen durchaus beachtlich: Der Gewinn von VW, Daimler und BMW lag im Vorjahr bei 21 Mrd. Euro.

Die Zahl der im Ausland produzierten Autos deutscher Hersteller stieg zwischen 2000 und 2013 um mehr als 130 Prozent - die Produktion in Deutschland kletterte dagegen nur um 6 Prozent. Seit 2009 bauen die deutschen Hersteller mehr Wagen außerhalb der Heimat als in Deutschland. (APA/Reuters/mato)