Yukos-Urteil : Russland kassiert Strafe von 50 Milliarden Dollar

Wegen der Zerschlagung des Ölkonzerns Yukos vor zehn Jahren muss Russland eine Rekord-Entschädigung an die einstigen Aktionäre zahlen.

Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag sprach den Anteilseignern 50 Milliarden Dollar (37,2 Milliarden Euro) zu, wie der frühere Yukos-Großaktionär GML am Montag in London mitteilte.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow kündigte umgehend eine Anfechtung der Entscheidung an.

Die Ereignisse im Rückblick

Nach der Verhaftung des damaligen Konzernchefs Michail Chodorkowski und umfangreicher Steuernachforderungen hatte Yukos Insolvenz angemeldet.

Der Konzern wurde zerschlagen und in einem undurchsichtigen Auktionsverfahren an staatliche russische Unternehmen unter Führung des Energiekonzerns Rosneft verkauft.

Auf der Internetseite des Schiedsgerichtes hieß es zu der bereits am 18. Juli gefallenen Entscheidung, Russland habe die Beschwerdeführer faktisch enteignet.

Moskaus Motive waren "politisch"

Der Schiedsgerichtshof habe beim Vorgehen Moskaus politische Motive ausgemacht, sagte GML-Chef Tim Osborne auf einer Pressekonferenz in London. Es sei der russischen Führung nicht um Steuernachzahlungen gegangen, sondern darum, "den Bankrott zu beschleunigen, damit der Staat über Rosneft davon profitiert".

An den Schiedsgerichtshof hatten sich zwei Tochterfirmen von GML gewandt sowie ein Pensionsfonds für frühere Yukos-Mitarbeiter. Sie forderten insgesamt mehr als 100 Milliarden Dollar - das Vierfache ihres ursprünglichen Investments. Obwohl das Gericht den Ex-Yukos-Aktionären nun deutlich weniger Entschädigung zuerkannte, sprach GML-Anwalt Emmanuel Gaillard von einem "großen Tag für die Rechtsstaatlichkeit".

Absolut höchste Strafe des Schiedsgerichts

Die angeordnete Zahlung von 50 Milliarden Dollar entspricht dem Zwanzigfachen der bisher höchsten von dem Schiedsgericht verhängten Summe. Wenn Russland zahlt, profitieren in erster Linie GML und der frühere Geschäftspartner Chodorkowskis, Leonid Newslin.

Außenminister Lawrow kündigte allerdings in Moskau an, sein Land werde "alle rechtlichen Möglichkeiten" nutzen, um seine Position zu verteidigen. Der Energiekonzern Rosneft erklärte, das damalige Auktionsverfahren sei "vollständig rechtskonform" gewesen.

Keine Möglichkeit zur Berufung

GML-Anwalt Gaillard erklärte hingegen, es gebe "keinen Grund zu glauben, dass Russland seinen internationalen Verpflichtungen nicht nachkommt". Eine Möglichkeit zur Berufung gebe es nicht. Mehrere Rechtsexperten zeigten sich ebenfalls skeptisch zu den Möglichkeiten Moskaus, die Entscheidung anzufechten.

Entscheidung "mit oder ohne Einverständnis" umgesetzt

Die Entscheidung aus Den Haag werde umgesetzt, "mit oder ohne Einverständnis Russlands", sagte der Jurist Konstantin Lukojanow der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass. Denkbar sei etwa, dass im Ausland geparktes Staatsvermögen beschlagnahmt werde. Auch Viktor Gerbutow von der internationalen Wirtschaftskanzlei Noerr erklärte, diejenigen Staaten, die den Schiedsspruch anerkennen, könnten russische Vermögenswerte einziehen, sofern diese nicht der Immunität unterliegen. In Berlin erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes, der Rechtsspruch aus Den Haag "gilt". Daran werde sich die Bundesregierung halten.

Ex-Yukos-Chef Chodorkowski mit Urteil nichts zu tun

Ex-Yukos-Chef Chodorkowski, der im Dezember nach mehr als zehn Jahren in Haft überraschend begnadigt worden war, begrüßte den Schiedsspruch. "Es ist toll, dass die Aktionäre des Unternehmens eine Entschädigung für ihre Verluste erhalten können", erklärte er auf seiner Internetseite. Er selbst hat demnach mit dem Verfahren nichts zu tun.

Der Haager Schiedsgerichtshof wurde 1899 gegründet, um Streitigkeiten zwischen Staaten beizulegen. Inzwischen hat die Einrichtung 115 Mitgliedstaaten und befasst sich mit der Klärung von Konflikten, an denen Staaten, internationale Organisationen oder private Parteien beteiligt sind. (afp/apa/pm)